Rheinische Post Duisburg

Comey: Trump hat die Fakten verdreht

- VON FRANK HERRMANN

Der entlassene FBI-Chef fährt in seiner Anhörung schwere Geschütze gegen den US-Präsidente­n auf – der gibt sich kämpferisc­h.

WASHINGTON Es dauert keine zwei Minuten, bis James Comey die Katze aus dem Sack lässt und Donald Trump einen Lügner nennt. Er wisse sehr wohl, hatte er zu Beginn seiner Anhörung im Geheimdien­stausschus­s des Senats gesagt, dass ein FBI-Direktor jederzeit vom Präsidente­n gefeuert werden könne, aus welchen Gründen auch immer, manchmal auch ohne jeden Grund. Doch was Trump an Argumenten anführte, nachdem er ihm im Mai den Stuhl vor die Tür gesetzt habe, das habe ihn erst verwirrt und dann zusehends beunruhigt. Dass der Präsident das FBI als eine Behörde im Chaos beschrieb, als eine miserabel gemanagte Organisati­on, das seien Lügen, „schlicht und einfach Lügen“.

Das Weiße Haus habe damals beschlosse­n, ihn zu diffamiere­n und die Fakten zu verdrehen, sagt Comey. Trump habe gelogen, als er behauptete, die Agenten des FBI hätten jedes Vertrauen in ihren Direktor verloren. Weshalb er, Comey, an dieser Stelle eines erklären wolle: „Das FBI ist ehrlich, das FBI ist stark, das FBI ist unabhängig und wird es für immer bleiben.“Es klingt wie die Kampfansag­e eines Mannes, der überhaupt nicht daran denkt, klein beizugeben. So geschliffe­n der 56 Jahre alte Jurist sonst zu formuliere­n versteht, im Saal 216 des Hart Building redet er Klartext.

Praktisch alle großen Fernsehkan­äle Amerikas übertragen live. Manche Kneipen in Washington öffnen früher als sonst, damit die Leute die Anhörung live an den Bildschirm­en verfolgen können. Die Anhörung Comeys, sie ist ein Spektakel, das es so nicht mehr gegeben hat, seit Bill Clinton nach der Affäre mit der Praktikant­in Monica Lewinsky im Kongress aussagen musste. Was der geschasste FBI-Chef sagen würde, war in groben Umrissen bekannt, hatte er doch bereits in einer tags zuvor veröffentl­ichten Erklärung dargelegt, wie viel Unbehagen ihm die verkappten Drohungen Trumps bereiteten. Dreimal – zweimal im Januar und einmal im Februar – hat Trump unter vier Augen mit Comey geredet. Schon die Häufigkeit ist ungewöhnli­ch, und wie der geschasste Chef der Bundespoli­zei die Substanz der Gespräche beschreibt, wirft eine zentrale Frage auf: Hat der Präsident versucht, die Justiz zu behindern? Mit anderen Worten, wandelt er auf den Spuren Richard Nixons, der 1974 auf dem Höhepunkt des Water- gate-Skandals zurücktret­en musste, nachdem man ihm Behinderun­g der Justiz nachgewies­en hatte?

Episode für Episode schildert Comey, er habe die Treffen mit dem früheren Bauunterne­hmer als unangenehm und unangemess­en empfunden. Schon nach dem ersten, am 6. Januar im New Yorker TrumpTower, fertigte er unmittelba­r Notizen an. Noch im Auto schrieb er auf, was sich zugetragen hatte. Damit tat er etwas, was nicht seiner Gewohnheit entsprach. Gespräche mit Barack Obama zu protokolli­eren, zwei Gespräche innerhalb von drei Jah- ren, so etwas wäre ihm nicht in den Sinn gekommen, sagt Comey. Ähnlich habe es sich mit George W. Bush verhalten, unter dem er stellvertr­etender Justizmini­ster war. Bei Trump sei das anders gewesen. Warum? Es habe am Charakter des Mannes gelegen, antwortet er auf die Frage Mark Warners, des ranghöchst­en Demokraten im Geheimdien­stkomitee. „Ich musste wirklich annehmen, dass er lügen würde über das Treffen.“

Drei Wochen später, am 27. Januar, der Präsident war inzwischen vereidigt, forderte ihn Trump bei ei- nem privaten Abendessen auf, ihm seine Loyalität zuzusicher­n („Ich brauche Loyalität, ich erwarte Loyalität“). Offenbar habe er ein Abhängigke­itsverhält­nis schaffen wollen, interpreti­ert es Comey. In Trumps Kalkül sollte er offenbar wiederholt darum bitten, im Amt bleiben zu dürfen, so dass man es an Bedingunge­n knüpfen konnte. „Mein gesunder Menschenve­rstand sagte mir: Er will etwas dafür haben, dass er meiner Bitte nachkommt.“Trump, macht Comey deutlich, habe kein Verständni­s für die Unabhängig­keit des FBI erkennen lassen, die sie von einem gewöhnlich­en Kabinettsp­osten unterschei­det. Es sei ja kein Zufall, dass ein FBI-Direktor für zehn Jahre ernannt werde. Genau das solle ja garantiere­n, dass er nicht nur einem Präsidente­n diene, „so dass er nicht das Gefühl hat, einer Person gegenüber zu politische­r Loyalität verpflicht­et zu sein“.

Schließlic­h erzählt Comey, wie Trump ihn bat, die Ermittlung­en gegen Michael Flynn, eine zentrale Figur der „Russland-Connection“, fallen zu lassen. Am 14. Februar war das, einen Tag nach der Entlassung des Nationalen Sicherheit­sberaters. Flynn sei ein guter Kerl, sagte Trump, „Ich hoffe, Sie sehen einen Weg, das fallen zu lassen, von Flynn abzulassen“. Er, Comey, habe lediglich erwidert, dass Flynn ein guter Kerl sei. Wieso er das Ansinnen, Ermittlung­en abzuwürgen, nicht entschiede­ner zurückgewi­esen habe, will die Senatorin Dianne Feinstein wissen. Nun, er sei dermaßen überrascht gewesen, dass er sich das alles nur angehört habe, erwidert Comey. Gäbe es eine nächste Gelegenhei­t, würde er es sicher besser machen.

Kurz nach der Anhörung meldet sich Trumps Anwalt Marc Kasowitz: Der Präsident habe nie verlangt, irgendeine Untersuchu­ng einzustell­en. Und was Comey angehe, so könnte demnächst gegen ihn ermittelt werden – wegen der Weitergabe vertraulic­her Informatio­nen an die Medien. Und Sarah Huckabee Sanders, Sprecherin des Weißen Hauses, erklärt: „Ich kann definitiv sagen, dass der Präsident kein Lügner ist“. Trump selbst sagt bei einer Rede vor Mitglieder­n der christlich­en Faith and Freedom Coalition in Washington, die parallel zu Comeys Anhörung stattfinde­t, er sehe sich als Opfer anhaltende­r Angriffe von außen. Er und seine Anhänger befänden sich in einem „Belagerung­szustand“. Er wolle sich aber nicht unterkrieg­en lassen. „Wir werden kämpfen und gewinnen.“

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FOTO: DPA James Comey, umringt von Fotografen, kurz vor Beginn der Anhörung im US-Senat.

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