Argentinien empfängt „Europas wichtigste Vertreterin“
Angela Merkel sieht in dem Land beim kommenden G20-Gipfel einen wichtigen Partner im Kampf gegen wirtschaftliche Abschottung.
BUENO AIRES Merkels erster Besuch in Argentinien, der nicht den offiziellen G20-Themen gilt, führt sie in die Synagoge Templo de Libertad. Sie kommt zur Einweihung der mit deutschen Mitteln restaurierten Walker-Orgel. Rabbi Simón Moguillevsky begrüßt die deutsche Kanzlerin als „prominenteste und wichtigste Vertreterin Europas“. Während Merkel sich in Deutschland im Wahlkampf um das Klein-Klein von Rentenreform und Steuersenkungen streiten muss, wächst ihr Ruf in der Welt, und die Erwartungen an sie wachsen immer weiter. In Argentinien sind die Zeitungen voll mit Berichten über den Besuch der prominenten Deutschen.
Zum Auftakt ihres Besuchs in Argentinien erklärt Merkel, sie sei „im Wesentlichen“dorthin gefahren, weil Deutschland die G20-Präsidentschaft innehabe. Am 7. Juli ist sie Gastgeberin des Treffens der 20 ökonomisch wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in Hamburg. Rabbi Moguillevsky schreibt Merkel unter Verweis auf ein Sprichwort auch die Tugenden „Recht und Wahrheit“zu.
In den Staaten Lateinamerikas wird Merkel aus dem Blickwinkel gesehen, aus dem auch das demokratisch gesinnte Amerika auf sie schaut. Die „New York Times“hatte Merkel nach der Wahl Trumps zum US-Präsidenten zur „Führerin der freien Welt“ausgerufen. Obwohl Merkel sich davon öffentlich distanziert hat, haftet ihr das Etikett an. Nach ihrem Treffen mit dem argentinischen Präsidenten Maurico Macri wird dem Präsidenten die Frage gestellt, ob er neben der Führerin der freien Welt stehe. Bevor Macri antworten kann, greift Merkel ein und weist die Rolle zurück: Ein Mensch alleine könne diese Rolle nicht übernehmen. Als sie von einem argentinischen Journalisten erneut gefragt wird, ob sie angesichts des „verblüffenden“Vorgehens von Trump ihre Rolle als Führungsfigur in Europa für die Welt einsetzen wolle, wird es der Kanzlerin zu bunt. „Wir suchen Verbündete für die Anliegen, die uns wichtig sind“, sagt sie.
Abgesehen davon, dass Merkel sich tatsächlich nicht in dieser Rolle sieht, wäre ein Kokettieren damit vor dem G20-Gipfel nicht klug. Mit eben diesem Image – die Anführerin der freien westlichen auf humanitäre Werte gerichteten Welt zu sein –, wird Merkels Stellung bei den G20Verbündeten nicht leichter. Im Gegenteil: Je stärker die Polarisierung zwischen ihr einerseits sowie dem russischen, dem chinesischem und auch dem amerikanischen Präsidenten andererseits wahrgenommen wird, umso schwieriger wird es für die Kanzlerin sachlich über die ohnehin schwierigen Themen mit diesen Staatsoberhäuptern zu verhandeln, da dann auch die ideologische Frage mitschwingt.
Der argentinische Präsident Macri gilt der Kanzlerin für das G20Treffen als Hoffnungsträger. Sie lobt ihn für seine Politik der Offenheit. Macri habe das Land geöffnet nach einer langen Zeit der Verschlossenheit. „Argentinien hat wieder Zugang zu den Finanzmärkten“, betont Merkel. Zugleich wittern deutsche Unternehmen neue Geschäfte in dem wirtschaftlich wiedererstarkenden Argentinien. Deutschland wolle die politischen und vor allem auch die wirtschaftlichen Entwicklungen begleiten, sagt Merkel.