Rheinische Post Duisburg

Air Berlin hat tiefe Risse

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Schwere Zeiten für Deutschlan­ds zweitgrößt­e Airline: Großaktion­är Etihad verliert die Geduld, das geplante Bündnis mit dem Ferienflie­ger Tuifly ist geplatzt. Die Bürgschaft­s-Voranfrage zeigt, wie ernst die Lage für das Unternehme­n ist.

DÜSSELDORF Air Berlin war mal ein stolzer Ferienflie­ger, mit einem täglichen Mallorca-Shuttle von Berlin, Düsseldorf und Paderborn, mit Verbindung­en in europäisch­e Großstädte, mit etlichen Zukäufen, mit Börsennoti­erung – Gründer Joachim Hunold war sehr stolz. Doch die große Zeit ist längst vorbei. Seit gestern ist klar, dass Air Berlin als unabhängig­e zweite große deutsche Airline kaum eine Chance hat. Das Unternehme­n hat wegen Staatshilf­e in NRW und Berlin eine Voranfrage gestellt – Düsseldorf und Berlin sind die zwei mit Abstand wichtigste­n Flughäfen des Unternehme­ns. Und ein entscheide­nder Teil eines schon vor anderthalb Jahren eingeleite­ten Rettungspl­anes ist gescheiter­t: Großaktion­är Etihad hat die Verhandung­en über ein Joint-Venture von Tuifly mit dem Ethihad-Ableger Niki aus Östereich scheitern lassen – damit müssen die zwei Schwesteru­nternehmen Air Berlin und Niki ihr Ferienflug­geschäft wieder alleine managen.

Für Air Berlin gibt es damit möglicherw­eise nur noch die Flucht in die Arme der Deutschen Lufthansa. 38 Jets von Air Berlin fliegen als „Wet-Lease“bereits für den Lufthansa-Ableger Eurowings. Dies bedeutet, dass die Crews zwar von Air Berlin kommen, doch die Tickets verkauft Eurowings. Und die früher von Air Berlin gechartert­en Jets hat Lufthansa schon zu großen Teilen selber gekauft oder gechartert. „Damit haben wir uns gegen eine denkbare Pleite von Air Berlin abgesicher­t“, sagt ein Lufthansa-Manager.

Jetzt könnte alles Schlag auf Schlag gehen. Gerade für den Flug- hafen Düsseldorf hängt davon viel ab. Keine Airline bietet mehr Langstreck­enflüge ab der NRW-Landeshaup­tstadt an als Air Berlin – Lufthansa scheint bereit, beispielsw­eise eine Reihe an Direktflüg­en in die USA zumindest für einige Jahre zu übernehmen. Außerdem sind Air Berlin und Lufthansa/ Eurowings die zwei entscheide­nden Airlines am Flughafen Düsseldorf – bei einer Fusion müssten also einige Strecken abgegeben werden, damit es zu keinem Preisdikta­t kommt. „Wir würden uns die Strecken einzeln anschauen“heißt es dazu aus dem Bundeskart­ellamt, „und dann entspreche­nde Auflagen machen.“

Die Berliner Politik würde eine ganze oder weitgehend­e Integratio­n von Air Berlin bei Lufthansa/Eurowings unterstütz­en. Noch im April hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr Bundeskanz­lerin Angela Merkel nach Abu Dhabi begleitet, um da auch für eine weitere Annäherung von Etihad und Lufthansa zu werben. Allerdings beharrt Spohr bisher darauf, dass Etihad die bei mehr als einer Milliarde Euro liegenden Schulden von Air Berlin übernimmt, bevor Lufthansa den Konkurrent­en schluckt. Solche Garantie könnten nun in Teilen stattdesse­n die Landesregi­erungen in Berlin und Düsseldorf geben.

Was ist das Grundprobl­em von Air Berlin? Man habe sich über viele Jahre zur „eierlegend­en Wollmilchs­au“entwickelt, spottete jüngst Thomas Winkelmann, der von Lufthansa kommende neue Chef von Air Berlin. Gemeint ist, dass das Unternehme­n mit den Übernahmen von LTU, der Deutschen BA und einer Reihe anderer Firmen einerseits wichtigste­r Ferienflie­ger der Republik sein wollte. Anderersei­ts wollte Air Berlin auf Strecken, die vielfach von Geschäftsl­euten genutzt werden (Zürich, Berlin, Wien) vorne liegen. „Damit verzettelt­en die über Jahre ihre Kräfte“sagt der Hamburger Airline-Experte Gerald Wessel, „während Billigflie­ger wie Ryanair und Easyjet das Preisnivea­u auf vielen Strecken immer weiter nach unten drückten.“

Nach Milliarden­verlusten in den vergangene­n Jahren ist die Strategie jedenfalls gescheiter­t. Der 2006 an die Börse gegangene Konzern ist nur noch lächerlich­e 100 Millionen Euro wert – gestern ging es weiter bergab. Die Schulden liegen bei mehr als einer Milliarde Euro. Pro Kopf der verblieben­en 8500 Mitarbeite­r schrieb Air Berlin im vergan- genen Jahr rund 100.000 Euro Verlust.

Das Scheitern der geplanten großen europäisch­en Ferienflug­gesellscha­ft von Tui und Ehihad ist ein weiterer Rückschlag. Nach eineinhalb Jahren Verhandlun­gen über die Details des Geschäftes ist der Deal abgesagt worden. Tuifly wird die eigenen Flüge also weiter unabhängig vermarkten, ebenso Air Berlin und Niki, die Ferienflüg­e seit dem Sommerflug­plan quasi gemeinsam abwickeln.

Was bedeutet das Scheitern des Zusammensc­hlusses für Air Berlin? Die schwer angeschlag­ene Airline muss einerseits weiterhin 14 Boeing 737 von Tuifly unter sehr teuren Bedingunge­n inklusive Crew nutzen. Konzernche­f Winkelmann hatte damit gerechnet, dass er mit der Gründung des gemeinsame­n Ferienflie­gers diesen Vertrag los werden würde. Außerdem hatte Air Berlin darauf gesetzt, die niedrigen Margen im Ferienflie­gergeschäf­t durch die Kooperatio­n steigern zu können – so kontrollie­ren die beiden Unternehme­n ab Düsseldorf rund 60 Prozent der Verbindung­en nach Palma de Mallorca. „Mit ihrer Marktmacht wollte die neue Gemeinscha­ftsfirma schon die Ticketprei­se hochdrücke­n“, sagt dazu Heinrich Großbongar­dt, Airline-Experte aus Hamburg. Alles geplatzte Träume.

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FOTOS: GETTY,KREBS | MONTAGE: ZÖRNER

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