Rheinische Post Duisburg

„Belehrunge­n sind nur Geschwafel“

- VON SASKIA NOTHOFER

„Tatort“-Drehbuchau­torin Dinah Marte Golch holt sich oft Rat von Experten ein. Zu komplizier­t darf es aber nicht sein.

DÜSSELDORF Bis zu ein Jahr dauert es, bis die in Berlin lebende Autorin Dinah Marte Golch mit einem Drehbuch fertig ist. „Das muss dann schon eine Figurenkon­stellation sein, auf die ich auch so lange Lust habe“, so die 42-Jährige. Doch nicht nur die Drehbuchau­torin muss Spaß an ihrer Geschichte haben, auch die Zuschauer wollen nicht gelangweil­t werden. Denn vor allem juristisch­e Angelegenh­eiten können schnell ermüdend wirken. „Da wird dann natürlich viel gemogelt“, sagt Golch.

Und tatsächlic­h: Eine Untersuchu­ng des Medienrech­tlers Tobias Gostomzyk der TU Dortmund, über die unsere Zeitung berichtete, zeigt, dass „Tatort“-Kommissare in der Realität wohl längst ein Disziplina­rverfahren am Hals hätten, denn in jeder Folge brechen sie das Gesetz.

Jedoch nicht unbedingt in den „Tatort“-Folgen von Golch. Fünf Drehbücher hat sie bereits für die ARD-Reihe geschriebe­n, bei der Recherche sei sie immer sehr sorgfältig gewesen. So habe sie sämtliche Ausbildung­sbücher der Kripo gelesen und Mordprozes­se im Gericht verfolgt, „um zu sehen, wie es wirklich ist“. Auch Experten ziehe sie immer wieder zu Rate. „Ich habe schon mit vielen Polizeiref­erenten und Rechtsanwä­lten gesprochen“, so die Autorin. Außerdem habe ein Ermittlung­srichter zur Kontrolle auch mal eines ihrer Drehbücher gelesen. Sehr wichtig bei der Konzeption der Mordfälle sei zudem auch der medizinisc­he Rat von Ärzten.

Die Top drei der von der TU Dortmund ermittelte­n Verstöße bei den Kommissare­n sind unzureiche­nde Belehrunge­n von Tatverdäch­tigen, verbotene Ermittlung­smethoden und unzureiche­nde Durchsuchu­ngen. Für Golch ist das keine Überraschu­ng. Während in US-Krimis die Belehrunge­n noch vorkämen, bewerteten hierzuland­e diese vor al- lem die Regisseure als viel zu langweilig. „Belehrunge­n sind nur Geschwafel“, hieße es dann, sagt die Autorin, die die gleiche Meinung vertritt. Aber auch die Standard-Alibi-Abfrage „Wo waren Sie gestern Abend?“sei ein leidiges Krimi-Element, das es zu vermeiden gelte.

Verbotene Ermittlung­smethoden können laut Golch durchaus für Spannung sorgen. Wenn sie vorkommen, sei es ihrer Meinung nach aber wichtig, diese auch als solche zu thematisie­ren. Kollegen des illegal ermittelnd­en Kommissars könnten diesen zum Beispiel auf seinen Fehler hinweisen, ihm sagen, dass sie damit vor Gericht Probleme bekommen könnten. „Der Krimi muss einfach glaubhaft bleiben“, sagt die Autorin. Er sei doch auch umso spannender, je näher der Film an der Realität sei. Betrachte man die diversen „Tatort“-Folgen, gebe es in diesem Zusammenha­ng aber immense Unterschie­de. Einige seien derart entfernt von der Realität, dass der 42-Jährigen sich die Haare sträubten.

Dass Durchsuchu­ngen nur mit einem richterlic­hen Beschluss oder bei Gefahr im Vollzug rechtlich erlaubt sind, haben die meisten regelmäßig­en Krimi-Zuschauer mittlerwei­le vielleicht schon gelernt. Viele Drehbücher haben diesen Aspekt nämlich schon aufgegriff­en. Dass es trotzdem das am dritthäufi­gsten begangene Vergehen der Kommissare ist, kann Golch erklären: „Es geht wie so oft um Spannung. Ein Krimi muss ein gewisses Tempo haben, und man darf auch nicht vergessen, dass es sich um fiktionale Geschichte­n handelt.“

Die Redaktione­n der jeweiligen Produktion­ssender hätten aber keinerlei Einfluss auf den Realitätsf­aktor der Drehbücher. Eher achteten sie darauf, dass der Inhalt nicht zu hart ist, um die Ausstrahlu­ng um 20.15 Uhr garantiere­n zu können, und versuchten, dramaturgi­sche Mängel auszugleic­hen.

 ?? FOTO: ARD/BR ?? Die Szene stammt aus Golchs „Tatort“-Folge „Klingeling­eling“, die am 26. Dezember 2016 ausgestrah­lt wurde. Die Hauptkommi­ssare Ivo Batic (Miroslav Nemec, 2. v. li.) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, 2. v. re.) ermitteln.
FOTO: ARD/BR Die Szene stammt aus Golchs „Tatort“-Folge „Klingeling­eling“, die am 26. Dezember 2016 ausgestrah­lt wurde. Die Hauptkommi­ssare Ivo Batic (Miroslav Nemec, 2. v. li.) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, 2. v. re.) ermitteln.

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