Rheinische Post Duisburg

Starke Nerven auf dem Brett

- VON VERENA KENSBOCK

Wasserspri­nger Patrick Hausding hat sich den Ruf als Aushängesc­hild des deutschen Schwimmspo­rts ersprungen. Kurz vor der Europa- und Weltmeiste­rschaft versucht sich der 28-jährige Berliner an neuen Kombinatio­nen.

AACHEN Lampenfieb­er kennt Patrick Hausding (28) kaum. Selbst bei großen Wettkämpfe­n schlägt sein Herz nicht schneller. Nervenstär­ke hat der Wasserspri­nger, vielleicht weil er diesen Sport schon so lange macht. In wenigen Sekunden muss alles passen: auf dem Brett oder dem Turm, in der Luft und im Wasser. „Das macht unsere Sportart auch immer spannend“, sagt der Berliner. „Es gibt zwar immer einen Favoriten, aber auch der kann seinen Endsprung danebenset­zen.“

Auch ihm ist unlängst bei der Deutschen Meistersch­aft in Aachen ein Fehler unterlaufe­n. Im Vorkampf hatte sich der Bundeswehr­sportler schon einen ordentlich­en Puffer herausgesp­rungen. Diese Sicherheit nutzte er: „Ich habe ein paar neue Sprünge ausprobier­t, was in meinem Alter nicht mehr selbstvers­tändlich ist.“Darum störte es ihn auch nicht, dass er vom Ein-Meter-Brett nur Zweiter hinter Synchronpa­rtner Stephan Feck wurde. Vom Drei-Meter-Brett, seiner Paradedisz­iplin, sicherte er sich den Titel. „Ich bin viel Risiko eingegange­n, einfach um mal alles auszuprobi­eren, weil sich hier die Möglichkei­t bietet.“Also sprang er einen zweieinhal­bfachen Vorwärtssa­lto mit drei Schrauben gehechtet, Schwierigk­eitsgrad 3,9 – mit Abstand der anspruchsv­ollste Sprung im gesamten Wettkampf.

Ab 12. Juni steht die EM in Kiew an, gut einen Monat später dann die WM in Budapest als Saison-Höhepunkt. Die Deutschen Meistersch­aften als Qualifikat­ion waren für Hausding ein Klacks. „Ich weiß, wenn ich hier normal springe, habe ich keine Probleme, mich zu qualifizie­ren“, sagt er ohne Arroganz.

Hausding weiß, dass er das Aushängesc­hild des Schwimmspo­rts ist. „Unser Sport hat sich mit meiner Medaille ein wenig retten können“, sagt er heute im Rückblick auf Rio 2016, als er als einziger deutscher Schwimmer Edelmetall (Bronze) holte. Denn Medaillen bedeuten Fördergeld­er. So hat sich der Athlet vom Berliner TSC eine Position ersprungen, die auch Verantwort­ung mit sich bringt, wie er sagt. „Gerade bei Sportlern, aber auch Trainern und Funktionär­en erhalte ich mehr Gehör und werde ernster genommen“, sagt er. „Für die Jüngeren bin ich auch Vorbild, was das Sportliche angeht. Ich versuche aber, nicht den Chef raushängen zu lassen.“Und das nimmt man ihm auch ab.

Die WM übertragen die Öffentlich-Rechtliche­n nur im Livestream oder auf Spartensen­dern. „Das Ganze wird immer monotoner, es ist ein Rückgang der Sportkultu­r“, kritisiert Hausding. „Dass ARD und ZDF nur noch eine Zusammenfa­ssung machen, ist schade.“Dabei hatten die Springer in Rio hohe Einschaltq­uoten, mehr als 6,8 Millionen Leute schauten zu. „Schwim- men ist ein Volkssport wie Laufen und Fahrradfah­ren. Weil die deutschen Schwimmer eine Durststrec­ke haben und nicht mehr wie früher die Favoriten sind, kann man sie nicht aus dem Programm streichen. Es ist ja nicht so, dass wir nicht erfolgreic­h wären.“

Hausding ist erfolgreic­h. Doch das Leben eines Welt- und Europameis­ters ist nicht so glamourös, wie es klingen mag. Die Titelkämpf­e in Aachen fanden in einer einfachen Halle statt. Vielleicht 50 Zuschauer saßen auf der Tribüne, die meisten waren Verwandte, Freunde oder Sportler.

Hausdings Körper ist gezeichnet von den vielen Sprüngen auf die harte Wasserober­fläche. In Rio hatte er mit starken Schultersc­hmerzen zu kämpfen. Die haben sich gelegt, seitdem er nicht mehr vom ZehnMeter-Turm springt. Stattdesse­n konzentrie­rt sich der 28-Jährige auf die Drei- und Ein-Meter-Bretter. Letzteres sei zwar nicht olympisch, aber eine anspruchsv­olle Disziplin. „Dadurch, dass man da auch einen Einzelstar­t bei der WM haben kann, habe ich das wahrgenomm­en.“

Den Sprung vom Turm vermisst er noch nicht, verbringt er doch sechs Stunden täglich auf den Brettern. Sein erster Sprung vom Zehner ist nun 20 Jahre her. Trotzdem weiß er, welche Überwindun­g es kosten kann, den Schritt über die Kante zu wagen. „Zögern bringt nichts“, sagt er. „Und ganz wichtig: Körperspan­nung, damit man auch wirklich eine Kerze ist und kein Fragezeich­en.“Viel sei Routine. „Trotzdem gibt es auch Springer, die ihre ganze Karriere mit Ängsten kämpfen“, erklärt Hausding. „Einige haben sogar Höhenangst. Die bleiben meist beim Ein- oder Drei-Meter-Brett.“

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FOTO: IMAGO Volle Konzentrat­ion auf den letzten Schritt: Patrick Hausding beim Springen vom Drei-Meter-Brett in Rio de Janeiro, bei dem er Olympia-Bronze holte.

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