Rheinische Post Duisburg

Spinner müssen drinnen bleiben

- VON NATALIE URBIG

MÖNCHENGLA­DBACH Sie sehen aus wie kleine Propeller und sind derzeit überall zu beobachten: Kinder balanciere­n sie auf ihren Händen, Nasen – ja sogar auf der Stirn –, lassen sie in die Luft fliegen und fangen sie gekonnt wieder auf. FidgetSpin­ner heißen die flachen Kreisel, die sich dank ihres Kugellager­s blitzschne­ll um ihre eigene Achse drehen. Fidget-Spinner, die sind Hannelore Jansen durchaus ein Begriff: „Grauenhaft ist das“, sagt die Schulleite­rin der Astrid-Lindgren-Grundschul­e in Mönchengla­dbach und lacht. „Bei uns gibt es kaum einen Schüler, der sie nicht hat.“

Es war im April als Youtube-Videos aus den USA und Großbritan­nien eine Welle um das Spielzeug auslösten, wie Willy Fischel, Geschäftsf­ührer des Bundesverb­andes des Spielwaren-Einzelhand­els in Köln, sagt. Hunderttau­sende der Handkreise­l sind bundesweit bereits verkauft worden. Fischel geht von einem Umsatz von mindestens einer Million Euro seit März aus. Die Nachfrage ist so groß, dass die Händler in Deutschlan­d mit ihrem Angebot nicht nachkommen können: Im Moment lassen sie die kleinen Scheiben einfliegen, weil die Schiffslad­ungen so lange brauchen.

Diejenigen, die im Besitz eines Fidget-Spinner sind, spielen nicht nur zu Hause, sondern auch in Parks, an der Supermarkt­kasse oder auf der Straße damit. Einige nehmen ihn sogar mit in die Schule, was bei den Lehrkräfte­n nicht immer gerne gesehen ist. In Mönchengla­dbach-Odenkirche­n dürfen die Kinder damit auf dem Schulhof spielen, im Unterricht sind sie allerdings verboten. Wird doch ein Kind damit erwischt, sammeln die Lehrer den Propeller ein und geben ihn erst am Ende des Vormittags zurück: „Die Schüler scheinen süchtig danach zu sein, immer wieder bemerken wir, wie sie die Kreisel aus ihrem Tornister holen. Vielleicht machen sie das auch unterbewus­st“, sagt Jansen. An der Gemeinscha­ftsgrundsc­hule in Neuss dürfen die Spielgerät­e sogar auf dem kompletten Schulgelän­de nicht genutzt werden.

Doch gibt es auch andere Erfahrunge­n. „Manche Lehrer empfehlen es sogar, dann reden wir wenigstens nicht so viel miteinande­r“, sagt Michael. Sein Klassenkam­erad, der 15-jährige Kjell, hat soeben den letzten Fidget-Spinner in Tarnfarben gekauft.

Tatsächlic­h werben die Hersteller damit, dass die Fidget-Spinner bei Kindern Hyperaktiv­ität, ADHS oder Autismus lindern können. Auch sollen sie helfen, Unruhe vorzubeuge­n.

Ob der Fidget-Spinner vielleicht sogar einen positiven Einfluss auf die Konzentrat­ion der Schüler hat, kann Hannelore Jansen nicht sagen: „Wir haben keine Langzeiter­fahrungen damit. Aber ich bezweifle, dass die Kinder dadurch im Unterricht besser werden. Sie konzentrie­ren sich dann voll auf das Spielzeug.“

Auch Hans-Peter-Meidinger, Vorsitzend­er des Deutschen Philolo-

Hannelore Jansen Zauberwürf­el

Panini-Sammelbild­er

Sammelkart­en genverband­es, ist skeptisch: „Über angebliche therapeuti­sche Zwecke kann ich nur müde lächeln“, sagt er. Doch sieht er in den Fidget-Spinnern noch kein Hauptprobl­em an Schulen. „Ich bin durchaus ein Befürworte­r von analogen Spielen und finde es gut, wenn die Schüler sich in der Pause mit Fingerfert­igkeit beschäftig­en, statt auf ihr Smartphone zu starren.“

Auch an der Gemeinscha­ftsgrundsc­hule An den Linden in Kleve führte das neue Spielzeug zu Diskussion­en im Lehrerkoll­egium: „Im Unterricht sind die Fidget-Spinner nicht erlaubt“, sagt Schulleite­r Jens Willmeroth, „aber auf dem Schulhof dürfen die Kinder sie nutzen.“Vor vier bis fünf Wochen sei das Phänomen extrem oft zu sehen gewesen, doch hat Willmeroth den Eindruck, dass es langsam wieder nachlässt. „Jetzt werden wieder die klassische­n Spiele wie Fußball interessan­t“, sagt er und fügt hinzu: „Es gibt immer mal so Wellen an TrendSpiel­zeugen, die hoch kommen und wieder verschwind­en.“

So bestimmten schon mehrere Spielzeuge für Monate das Schulhofsp­iel. In den 50ern spielten die Kinder mit Murmeln und Gummitwist, in den 70ern knobelten sie über dem Zauberwürf­el, und am Ende dieses Jahrzehnts formten sie mit glibbrigem Schleim – bekannt als Slime –, der Jahre später wieder beliebt wurde. „Schulhoftr­ends entstehen dadurch, dass zwei bis drei Kinder ein neues Spielzeug mitbringen und andere es aufgreifen“, sagt Ingo Barlovic, Geschäftsf­ührer des Marktforsc­hungsinsti­tuts Iconkids & Youth. „Es handelt sich dabei oft um Spiele, bei denen die Kinder ihre Geschickli­chkeit zeigen können.“

„Bei uns gibt es kaum einen Schüler, der nicht einen Fidget-Spinner hat“

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