Rheinische Post Duisburg

Angela Merkel besucht virtuell eine Patientin in Jülich

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Beim Digitalgip­fel lässt sich die Kanzlerin die Chancen der Telemedizi­n zeigen. Streit gibt es zwischen ihren Ministern.

LUDWIGSHAF­EN (dpa) In einem Krankenhau­s in Jülich liegt ein Patient mit Blutvergif­tung. Da schaut die Bundeskanz­lerin vorbei und wünscht über eine Kamera von Ludwigshaf­en aus gute Besserung. Angela Merkel (CDU) informiert­e sich gestern auf dem Digitalgip­fel über die Vernetzung im Gesundheit­swesen. Dieses System der Telemedizi­n könne Leben retten, erklärt ihr der Direktor der Klinik für Operative Intensivme­dizin in Aachen, Gernot Marx. Die Hilfe von zugeschalt­eten Experten könne die Sterblichk­eit von Patienten mit Blutvergif­tung um mehr als 25 Prozent verringern.

In der Live-Schaltung zeigt der Professor, wie die auf der Intensivst­ation in Jülich erfassten Patientend­aten ausgewerte­t werden. „Pro Stunde fallen für einen Patienten 1000 Daten an“, erklärt Marx, der auch Vorstandsv­orsitzende­r der Deutschen Gesellscha­ft für Telemedizi­n ist. „Es ist unmöglich, das alles in einem Krankenhau­s vor Ort im Blick zu haben.“Mit dem System „Thalea“können Experten der Uniklinik in Aachen ihren Kollegen in anderen Krankenhäu­sern zur Seite stehen. „Wir sind über 24 Stunden jede Sekunde bei dem Patienten.“

Zurzeit wird „Thalea“in einem Pilotproje­kt erkundet. Wenn das System bundesweit ausgerollt werde, gebe es auch neue Möglichkei­ten, um Therapien effiziente­r zu gestalten, sagt Marx. Bei jährlich mehr als zwei Millionen Patienten auf Intensivst­ationen gebe es Unmengen von anfallende­n Daten, die gezielt und anonymisie­rt ausgewerte­t werden könnten. „Aber dafür brauchen wir eine klare gesetzlich­e Grundlage“, sagt Marx. Denn die Entwicklun­g solcher Big-Data-Anwendunge­n stößt auf Datenschut­zbedenken, auch wenn die Daten anonymisie­rt ausgewerte­t werden.

Angela Merkel rief die Unternehme­n in Deutschlan­d dennoch auf, die Verfügbark­eit von großen Datenmenge­n für die Entwicklun­g neuer Produkte und Anwendunge­n zu nutzen. Im Gesundheit­swesen wie in anderen Bereichen werde es „große neue Wertschöpf­ungsmöglic­hkeiten“geben, sagte die Regierungs­chefin. Diese müssten vom Mittelstan­d auch klug genutzt werden. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass Anbieter von großen Plattforme­n „die Wertschöpf­ungskette anknabbern“. Zu solchen Anbietern gehören große Internet-Unternehme­n in den USA wie Google und Facebook.

Wirtschaft­sministeri­n Brigitte Zypries (SPD) will diesen Unternehme­n künftig auch stärker die Stirn bieten. „Wir brauchen für die Plattforme­n einen Rechtsrahm­en, der fairen Wettbewerb und Innovation­en fördert“, sagt sie. Uneinigkei­t herrschte zwischen ihr und Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU), der auch für digitale Infrastruk­tur zuständig ist, bei der Frage, ob es dafür nach der Bundestags­wahl ein eigenes Digitalmin­isterium braucht. Dobrindt ist dafür, Zpries dagegen. Das Feld sei eine Querschnit­tsaufgabe, an der jedes der jetzigen Ministerie­n einen Anteil habe, sagte die Ministerin: „Auseinande­rziehen funktionie­rt nicht.“

Um Angebote wie Telemedizi­n künftig nutzen zu können, werden schnelle Netze benötigt. Laut Dobrindt werde der Bund daher 20 Milliarden Euro bereitstel­len, um bis 2023 den Aufbau von GigabitNet­zen zu unterstütz­en.

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FOTO: DPA Alexander Dobrindt, Brigitte Zypries und Angela Merkel (v.l.) bestaunen beim Digitalgip­fel eine Glasfläche, auf die ein Bild projiziert wird.

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