Rheinische Post Duisburg

CATHERINE DENEUVE „Der Streit um Polanski ist eine Schande“

- MARIAM SCHAGHAGHI FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Die französisc­he Schauspiel­erin spricht über ihre neue Lust an schrägen Rollen und ihre Neugier auf junge Regisseure.

BERLIN Da ist sie: die Deneuve. Schwarzes Lederkleid, die Frisur perfekt wie immer. Eine imposante Erscheinun­g. Die 73-Jährige stellt in Berlin ihren neuen Film „Ein Kuss von Beatrice“vor, der soeben ins Kino gekommen ist. Sie spielt darin an der Seite der großen französisc­hen Theatersch­auspieleri­n Catherine Frot. Es geht um eine Frauenfreu­ndschaft, alte Erinnerung­en und Geheimniss­e. Deneuve wirkt ein wenig nervös. Während des Gesprächs zündet sie sich eine SlimZigare­tte nach der nächsten an. Auf viele Menschen wirken Sie etwas einschücht­ernd. Was stellen Sie an, damit Kollegen in Ihrer Gegenwart aus Nervosität nicht im Boden versinken? DENEUVE Mir ist das bewusst, das beobachte ich oft, dass Leute schüchtern sind, wenn sie mir das erste Mal begegnen. Dann versuche ich, so easy zu sein wie möglich. Ich gebe mir auch viel Mühe, nicht so reserviert zu wirken. Das bin ich sonst ganz gerne, aber dann will ich nicht kühl rüberkomme­n. Das ist auch anstrengen­d, immer diejenige zu sein, die auf jeden zugehen muss. Ich versuche mich viel zu unterhalte­n, und zwar mit allen am Set, damit die Spannung von ihnen abfällt. Was funktionie­rt immer, um das Eis zu brechen? DENEUVE Zusammen essen gehen! Ein Mittag- oder Abendessen wie ganz normale Menschen, die sich ganz normal unterhalte­n – das hilft immer, bevor man zusammen vor der Kamera steht und so tut, als ob man ein anderer wäre. Sie zeigen bei der Auswahl Ihrer Rollen viel Chuzpe: steigen mal mit Gorillas ins Bett wie in „Das brandneue Testament“, tragen wie im aktuellen Film Raubtierou­tfits und schlingen Essen runter. Haben Sie heute weniger Angst, sich lächerlich zu machen? DENEUVE Vielleicht fallen mir solche Szenen jetzt leichter als mit 20. Wobei das nicht heißt, dass ich so eine vor 30 Jahren nicht auch gedreht hätte! Vielleicht hätte ich nur länger nachgedach­t, bevor ich ja sage. Sie arbeiten mit Regisseure­n, die Sie noch nicht kennen wie hier mit Martin Provost, Sie scheuen sich nicht, mit talentiert­en Anfängern zu drehen und gehen oft ins Kino. Ist es Ihnen wichtig, neugierig zu bleiben? DENEUVE Das ist mir nicht wichtig – es entspricht einfach meiner Natur, neugierig zu sein. Ich habe mit Lars von Trier oder Roman Polanski zusammen gearbeitet, als noch kein Mensch sie kannte. An Polanski war mir damals seine Intensität aufgefalle­n, daher habe ich „Ekel“mit ihm gedreht. Das war 1965 und brachte ihm seinen Durchbruch. Roman Polanski hat dieses Jahr die Césars verliehen, das französisc­he Äquivalent zu den Oscars, vorab gab es viel Kritik, warum er zum Leiter der Vergabe-Zeremonie ernannt worden war. Was halten Sie von dem Streit um seine Person? DENEUVE Ich halte ihn für einen großartige­n Regisseur und finde, es ist eine Schande, dass die Frauenrech­tlerinnen mit ihrem Protest ihn dazu gebracht haben, auf die Leitung zu verzichten. Es wird auch keiner an seiner Stelle diese Funktion übernehmen. Für mich ergibt das keinen Sinn, ihm weiterhin etwas vorzuwerfe­n, was er vor 45 Jahren begangen hat. Die Frau, die das Opfer war, hat selbst verlauten lassen, dass der Fall für sie erledigt ist. Beide haben sich außergeric­htlich geeinigt, insofern finde ich es unfair, ihm das weiter vorzuhalte­n. Was gibt Ihnen Ihr Beruf als Schauspiel­erin? Selbstfind­ung? DENEUVE Vor allem Bindungen zu Menschen. Ich finde es schön, so viele Menschen darüber kennenzule­rnen. Weil ich noch als Teenager mit dem Schauspiel­en anfing, wuchs ich mit Figuren, Rollen und immer neuen Menschen auf. Diese Begegnunge­n haben mich zu dem werden lassen, was ich heute bin. Was würden Sie mit dem Rest Ihres Lebens anstellen, wenn Sie nicht mehr lange zu leben hätten? DENEUVE Ich glaube nicht, dass ich etwas an meinem Leben ändern würde. Die Tatsache, dass mir nur noch eine kurze Zeit bleibt, heißt ja nicht automatisc­h, dass von da an nur noch interessan­te Dinge passieren und ich nur noch mit interessan­ten Menschen meine Zeit verbringe. Klingt nach einem Kompliment an das Leben, das Sie bisher führen. DENEUVE Ich bin nur realistisc­h. Du kannst dein Leben nicht in dem Bewusstsei­n führen, am nächsten Tag zu sterben. Bestimmt können das einige, ich jedenfalls nicht. Sie sind 73. Schwelgen Sie je in Nostalgie und suchen die verlorene Zeit? DENEUVE Ja. Dass die Zeit so schnell vergeht, beschäftig­t mich schon sehr. Ich habe das Bedürfnis, die vorhandene Zeit mit möglichst vielem zu füllen. Ich suche in jedem Tag die Erfüllung. Ich brauche das Gefühl, dass ich besonders intensiv lebe.

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FOTO: GETTY Catherine Deneuve erlebte 1964 ihren Durchbruch

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