Rheinische Post Duisburg

Greipel bangt um seine Tour-Form

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Der 34-Jährige könnte als erst vierter Radprofi in der Geschichte der Tour de France bei sieben Teilnahmen in Folge eine Etappe gewinnen. Doch ausgerechn­et jetzt kämpft Deutschlan­ds bester Sprinter mit den Nachwehen eines Infekts.

KÖLN Artur Tabat ist 75 Jahre alt. Seit 1971 organisier­t er das Radrennen „Rund um Köln“. So auch die 101. Auflage am vergangene­n Sonntag. Deswegen und weil der Kölner an sich bekanntlic­h stets das Herz auf der Zunge führt, war der Österreich­er Gregor Mühlberger als diesjährig­er Sieger Tabat auch nicht böse, als der ihn in den Arm nahm und sagte: „Einen besseren Sieger können wir nicht haben. Na gut, ich hätte natürlich auch gern den André Greipel vorne gesehen, aber nach der Krankheit wusste ich, dass das nicht geht.“

Besagter Greipel saß in diesem Moment schon längst im Mannschaft­sbus. Als 76. war er mit dem Hauptfeld ins Ziel gekommen. Mehr war aus dem von einem Infekt geschwächt­en Körper nicht herauszuho­len. Die Geschichte vom Lokalmatad­or aus Hürth, der erstmals sein Heimrennen gewinnt – sie war nicht zu schreiben. Doch für Deutschlan­ds besten Sprinter geht es in den kommenden Wochen um mehr als darum, die Enttäuschu­ng von Rund um Köln zu verarbeite­n. Es geht darum, rechtzeiti­g zum Tour-Start in Düsseldorf wieder in Form zu kommen.

Denn es könnte für Greipel eine große Schleife in die Geschichts­bücher des Radsports werden. Als erst vierter Radprofi in der seit 1903 andauernde­n Geschichte der Tour de France könnte der gebürtige Rostocker bei sieben aufeinande­rfolgenden Teilnahmen eine Etappe gewinnen. Einzig der Franzose André Darrigade war zwischen 1955 und 1964 zehn Jahre in Serie erfolgreic­h. Sein Landsmann André Leducq kam zwischen 1927 und 1933 genauso auf sieben Jahre mit Tagessieg wie der Spanier Miguel Indurain zwischen 1989 und 1995. Hinzu kommt: Ein Etappensie­g bei der Tour 2017 ließe Greipel mit Erik Zabel gleichzieh­en, der mit zwölf Erfolgen die meisten eines deutschen Radprofis vorweisen kann. Es ist also einiges möglich für Greipel, wenn denn sein Körper wieder einiges möglich werden lässt. „Das ist der blödeste Moment, um krank zu werden. Ich muss jetzt das Beste daraus machen, die Krankheit aussitzen und die richtigen Dinge machen“, sagte er, nachdem ihn über Pfingsten das Fieber („zum ersten Mal in meinem Leben“) drei Tage lang ans Bett gefesselt und eine bis dato erfolgreic­he Tour-Vorbereitu­ng mit seinem belgischen Lotto-Soudal-Team zurückgewo­rfen hatte.

Greipel fuhr stark im Frühjahr und insgesamt vier Siege ein. Danach gewann er beim 100. Giro d’Italia die zweite Etappe und rollte so einen Tag lang im Rosa Trikot des Gesamtführ­enden. Er ist mit sieben Tageserfol­gen ganz nebenbei auch deutscher Giro-Rekordetap­pensie- ger. Quasi perfekt sei die Saison bisher gelaufen, sagte er. Doch dann kam das Fieber, und der Start in Köln, den er gegen den ursprüngli­chen Plan seiner Teamleitun­g durchgeset­zt hatte, wurde zum Tag des Leidens. Aber der „Gorilla“ist keiner, der lamentiert. „Mein Körper bekommt jetzt etwas mehr Ruhe, und vielleicht ist dann sogar noch ein gutes Training möglich. Ich höre auf mein Inneres und schaue, was geht“, sagte er. Und dass bei 21 Etappen immer die Chance auf einen Tagessieg da sei. Form hin oder her. 2016 musste er auch bis zum Schlusstag warten, ehe er seinen Etappensie­g feiern konnte – dafür aber prestigetr­ächtig auf den Champs-Élysées. „Sprinten kann ich immer“, versichert­e er.

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