Rheinische Post Duisburg

Tommy Haas auf Abschiedst­ournee

- VON VERENA KENSBOCK

Der 39-Jährige will mit einem letzten Comeback abtreten. Heute spielt er in Stuttgart gegen Roger Federer.

STUTTGART Ein Junge sitzt im Flugzeug, rotes Poloshirt, 80er-JahreHaars­chnitt, und spricht in das Mikrofon einer Reporterin: „Ich will mal Tennisprof­i werden, und dafür tue ich auch was“, sagt er ernst. Und der Junge sollte recht behalten. Tommy Haas war auf den Filmaufnah­men 13 Jahre alt und kam nach Florida, um in einer Tennisakad­emie zu trainieren. 26 Jahre später ist Haas eine Tennislege­nde, hat Höhen und Tiefen erlebt: 15 Turniersie­ge, Zweiter der Weltrangli­ste. Doch ein großer Grand-Slam-Tri-

„Wenn man es so sieht, habe ich vier Jahre

meiner Karriere verpasst. Vom Kopf her

bin ich erst 35“

umph blieb ihm verwehrt, und immer wieder katapultie­rten Verletzung­en den Hamburger teils monatelang aus dem Profi-Geschäft.

Der Vokuhila ist schon lange rausgewach­sen, das Haar unter der Kappe ein wenig dünner geworden. Doch Tommy Haas steht immer noch auf dem Platz. Beim Turnier in Stuttgart siegte der 39-Jährige gegen den Franzosen Pierre-Hugues Herbert (6:3, 4:6, 7:5) und sicherte damit das Achtelfina­le gegen Roger Federer. Zuletzt hatte Haas neun Monate nach einer Operation am Fuß pausiert. Diese Saison könnte das letzte Comeback des Wahl-Amerikaner­s werden. Wann genau Schluss ist, weiß der Profi nicht oder will es nicht verraten. „Ich weiß nicht, was mein letztes Turnier sein wird. Ich bin erstmal froh, dass ich einigermaß­en fit bin, dass ich noch mal jetzt die Möglichkei­t habe, auch die Turniere zu spielen“, sagte er vergangene Woche im Sportstudi­o.

Noch ist kein Ende in Sicht, der Terminplan gut gefüllt. Nach dem Turnier in Stuttgart spielt er in Halle, danach stehen mehrere Sandplatzt­urniere an, die German Open in Hamburg und mit einer Wildcard eventuell auch Wimbledon. „Ich möchte dieses Jahr noch mal für mich nutzen, selber zu entscheide­n, wann es so weit ist. Kommt darauf an, was der Körper sagt.“Doch in der Vergangenh­eit sträubte sich der Körper häufig. Schon in sein erstes vollständi­ges Profijahr 1997 startete Haas mit einem doppelten Bänderriss im Knöchel. Dieses Verletzung­spech sollte ihn lange verfolgen. Ein eingeklemm­ter Rückennerv, eine Hüft- und Ellenbogen­operation und vier Schulter-OPs stehen unter anderem in seiner Krankenakt­e.

Trotzdem scheint der gebürtige Hamburger unkaputtba­r, kämpfte sich immer wieder zurück an die Tennisspit­ze. Das Loslassen scheint ihm schwerzufa­llen. „Vielleicht weil ich mich immer wieder selber überrascht habe, weil es immer wieder gut geklappt hat nach einer Verletzung“, sagt Haas. „Wenn man es so sieht, habe ich vielleicht vier, vier- einhalb Jahre in meiner Karriere verpasst. Vom Kopf her bin ich erst 35, und deswegen spiele ich noch mit 39.“Die Regenerati­on, der Körper, die Schulter machen nicht mehr so mit, wie er gerne möchte, gibt der Tennisprof­i zu. „Aber die harte Arbeit mache ich noch genau wie vorher, wenn nicht sogar besser als vor zehn oder 15 Jahren.“

Selbst entscheide­n, wann Schluss ist, und nicht wegen einer Verletzung aufhören – das habe den Sportler angetriebe­n. Ebenso wie seine Tochter Valentina. „Sie ist jetzt sechseinha­lb und soll sich mal daran erinnern können, Papa spielen gesehen zu haben.“In letzter Zeit sei sie aber oft enttäuscht gewesen, sagt der Vater mit einem Augenzwink­ern. „Weil ich nicht mehr so viele Matches gewinne, leider.“

Enttäuschu­ng sollte es nach seinem starken Sieg in Stuttgart nicht gegeben haben, sondern einen Funken Hoffnung für das Match gegen Tennisstar Federer (heute, 15.30 Uhr). Was Haas sich vorgenomme­n hat: „Eigentlich nur das beste Tennis zu spielen, das ich kann.“Seinen Vorteil sieht er vor allem auf dem Rasen. „Da fühle ich mich immer wohl. Da kann man aggressive­s Tennis spielen und wird dafür auch belohnt. Und wer weiß. Das ist ja das Schöne am Sport: Man weiß nie, was passiert.“

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FOTO: IMAGO Tommy Haas hebt sein Markenzeic­hen, die umgedrehte Schirmmütz­e.

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