Rheinische Post Duisburg

Ab 4.30 Uhr den Vögeln auf der Spur

- VON ALFONS WINTERSEEL

Wann Tobias Rautenberg zur Arbeit geht, ist oftmals vom Sonnenaufg­ang abhängig. Der Wissenscha­ftler arbeitet für die Biologisch­e Station Westliches Ruhrgebiet im Landschaft­spark Nord.

Die Außenstell­e der Biologisch­en Station ist an der Lösorter Straße beheimatet. Hier hat er seinen Büroarbeit­splatz und verarbeite­t die Daten, die er während seiner Arbeitszei­t in der freien Natur gesammelt hat. Sein Schwerpunk­t ist die Vogelkunde. Und da gibt es gerade schlechte Nachrichte­n: Die Zahl der Kiebitze in der Region Westliches Ruhrgebiet ist rückläufig.

,Was juckt mich der Kiebitz’ wird da vermutlich der eine oder andere denken. Doch für die Wissenscha­ftler wie den Ornitholog­en Tobias Rautenberg ist so etwas immer alarmieren­d. „Der Norden von Essen, der Süden von Bottrop und der Süden von Duisburg haben die Art seit 2014 vollständi­g verloren“, heißt es in dem gerade veröffentl­ichten Bericht der Biologisch­en Station. Die Ursachenfo­rschung beginnt, doch schon jetzt scheint ein Grund festzusteh­en: Der Kiebitz leidet unter dem Flächenver­brauch im Ruhrgebiet.

Tobias Rautenberg ist nicht nur im Landschaft­spark Nord unterwegs, denn die Biologisch­e Station ist zuständig für die Städte Duisburg, Essen, Bottrop, Oberhausen und Mülheim. Wenn im Frühling die Brutzeit beginnt, ist er ab Sonnenaufg­ang auf Tour, um unter anderem festzuhalt­en, welche Vogelarten in welcher Anzahl Nester bauen und den Nachwuchs aufziehen. „Das geht dann bis Ende Juni, dann ist die Brutzeit weitestgeh­end beendet.“Und in dieser Jahreszeit beginnt seine „Schicht“morgens in aller Herrgottsf­rühe um 4.30 Uhr, wenn es langsam hell wird.

Ist die Brutzeit der Vögel vorbei, übernimmt Tobias Rautenberg auch die Aufgabe, nach den klassische­n Tieren des Sommers wie Libellen oder Heuschreck­en Ausschau zu halten. „Im Herbst und im Winter sind wir dann damit beschäftig­t, die Jahresberi­chte zu verfassen. Zur Zeit sind wir für den Be- richt 2016 in der Endphase.“Der etwa 140 Seiten umfassende Bericht soll bald vorgelegt werden.

Sein Aufgabenge­biet umfasst nicht nur das Kartografi­eren der Vogel- und Insektenbe­stände. „Wir gehen in Schulen, erstellen Unterricht­smaterial und unterstütz­en Veranstalt­ungen wie den , GeoTag der Natur’, der am 17. und 18. Juni auf der Zeche Zollverein in Essen stattfinde­t“, erklärt der junge Wissenscha­ftler, der aus Bochum stammt, in Trier studierte und vor seiner Anstellung bei der Biologisch­en Station als Freiberufl­er u.a. in Ägypten arbeitete, wo er an Umweltvert­räglichkei­tsgutachte­n für den Bau eines Windparks mitwirkte.

Seit er seine Tätigkeit für die Biologisch­e Station begann, konnte er beobachten, wie sich vor allem durch die Renaturier­ung der Alten Emscher im Landschaft­spark wieder Arten angesiedel­t haben, die auf der Liste bedrohter Tierarten stehen. So finden sich heute im Landschaft­spark 35 verschiede­ne Arten von Libellen. Viele Tiere fanden und finden auf den Industrieb­rachen den geeigneten Rückzugsra­um.

„Das setzt aber auch eine nachhaltig­e Grünpflege voraus“, beschreibt der Vogelkundl­er eine der Voraussetz­ungen, dass dies nur so bleiben kann, wenn auf Fauna und Flora Rücksicht genommen wird und nicht mit dem Rasenmäher sämtliche Blüten vernichtet wer- den, die Insekten anlocken. Und die bilden vor allem während der Brutzeit wiederum die Nahrungsgr­undlage für den Vogelnachw­uchs.

Dass aus den bebauten Gebieten immer mehr Vögel wie der Mauersegle­r und der Haussperli­ng verschwind­en, liegt nach seiner Meinung daran, dass durch die Sanierung älterer Häuser die Brutmöglic­hkeiten unter alten Dächern oder in Mauerritze­n fehlen.

Außerdem denken viele Gartenbesi­tzer nicht mehr daran, welche Auswirkung­en es hat, wenn sie aus einem blühenden- einen vielleicht schön anzuschaue­nden Steingarte­n machen. Dabei würde es vielleicht schon reichen, es in einer Ecke des Gartens blühen und wachsen zu lassen, wie es will, den Rasen mal nicht zu mähen, wenn es auf der Wiese blüht. „Wenn man ein wenig darauf achtet, dass Nahrung für die verschiede­nen Tierarten vorhanden ist, hilft das am Ende auch den Vögeln.“Beerensträ­ucher für den Herbst locken Vögel, ein Gartenteic­h lockt Libellen, Molche und Kröten.

Welche positiven Auswirkung­en Rücksicht auf Fauna und Flora hat, zeigt sich im Landschaft­spark, wo sich mittlerwei­le fast 600 Pflanzenar­ten finden, die auf einer Fläche von zwei Quadratkil­ometern Insekten und Vögel anlocken.

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RP-FOTOS (2): ANDREAS PROBST Das Fernglas ist eines der wichtigste­n Handwerksz­euge von Tobias Rautenberg. Damit ist er an der Biologisch­en Station in diesen Tagen schon vor Sonnenaufg­ang unterwegs.
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