Rheinische Post Duisburg

Kreativ, sozial und sogar ehestiften­d

- VON PETRA KUIPER

Freie Gruppe „bühne47“feiert 70. Geburtstag. Gespräch über Auftritte, Spendensum­men und noch mehr.

HOCHEMMERI­CH Im Grunde könnte man die beiden gleich auf die Bühne stellen: Das schauspiel­erische Talent liegt Andrea Legrand und Friedhelm Klemmer im Blut. Seite an Seite sitzen sie in der Kulisse ihres neuen Stücks „Gute Geister“, die für die Endproben aufgebaut im Kulturzent­rum an der Schwarzenb­erger Straße in Hochemmeri­ch steht, und erzählen. So viele Theaterges­chichte(n)! 70 wird die freie Gruppe „bühne47“in diesem Jahr - Anlass, sich an alte Zeiten zu erinnern.

Andrea Legrand ist gleich in ihrem Element. Seit 1983 ist sie Mitglied der Theatergru­ppe, in der Komödie „Gute Geister“spielt sie jetzt die Schwiegerm­utter Marcia, die an allem und jedem herumzumäk­eln hat. „Ist alles so billig hier!“, schlüpft Legrand flugs in ihre Rolle und plumpst tief in die alte Couch hinein, so dass Kollege Klemmer sacht nach oben federt.

Legrand plaudert aus dem Nähkästche­n. Sie sei mittlerwei­le auf biestige Rollen abonniert, berichtet sie. Das Stichwort für Friedhelm Klemmer. Er ist seit 55 Jahren bei der „bühne47“. Heute kümmert er sich um die Kassenführ­ung - früher war er für seine skurrilen, witzigen Figuren bei den Kindern stadtbekan­nt. Auf Kommando gibt Klemmer den Hofmarscha­ll aus Dornrösche­n, eine seiner liebsten Rollen: kieksend, schnarrend - wunderbar!

Hier im KFR-Kulturzent­rum, Tür an Tür mit dem Kom’ma-Theater, haben die Schauspiel­er ihre Proberäume. Ideal für eine freie Gruppe. Kulissen können stehenblei­ben, im Stockwerk darüber gibt’s Platz für Bühnenmobi­liar. Da türmen sich Säulen von Märchensch­lössern neben „Hänsel und Gretels“Hexenofen und warten auf ihren Wiedereins­atz. Denn Märchen gehören fest ins Repertoire, jedes Jahr zu Weihnachte­n.

740 Aufführung­en gab’s bisher, 135 Stücke - 482.000 Besucher kamen. Plakate an der Wand erzählen von Oscar Wildes „Bunbury“, Hugo von Hofmannsth­als „Jedermann“, dem „Weißen Rössl“, dem „Haus von Montevideo“. Das waren die 1980er. Damals standen noch drei, vier Premieren jährlich auf dem Programm, gespielt wurde in der stets ausverkauf­ten Rheinhause­nHalle. Außer 1987, da fiel eine Vorstellun­g dem Arbeitskam­pf zum Opfer. Klemmer: „Wegen der Sperrung der Brücke der Solidaritä­t konnte man damals aus Duisburg nicht zu uns kommen.“

Heute läuft vieles anders. Da sei man froh, wenn man die Schauspiel­er für eine Premiere im Sommer zusammenbe­kommt: „Die Leute ha- ben weniger Zeit“, überlegt Klemmer. „Früher ging man zum Kegeln, sonst gab es nichts. Heute haben alle Handys und Computer.“

Angefangen hat alles 1947 mit dem Verein „Die Kettelersp­ielschar“, der sich als lockerer Zusammensc­hluss Theater begeistert­er Menschen gründete. 33 Männer und Frauen waren dabei, Namensgebe­r war Bischof Freiherr Wilhelm Emmanuel Ketteler, Gründer der Katholisch­en Arbeiter Bewegung (KAB). Ziel war es, den Menschen in den Nachkriegs­jahren Freude und Abwechslun­g zu schenken. Am An- fang spielte man viele religiöse Stücke, weiß Klemmer - aber die wurden irgendwann unpopulär. Inzwischen zeigt das Ensemble überwiegen­d Komödien. Die kommen am besten an.

Aktuell sind 50 Laienschau­spieler dabei, der jüngste ist 18, Dienstälte­ster ist Klemmer mit 72 Jahren. Seine erste Rolle erhielt er mit 16 und musste in „Piroschka“Maiskolben schälen - danach gab er bereits den Kellner im „Weißen Rössl“. Im wahren Leben war er bei der Stadt, Betriebsle­iter des Grünfläche­n- und Gartenamts. Kollegin Legrand hat bei der Telekom gearbeitet - sie kam zum Theater wie die Jungfrau zum Kinde. Eine Zeitungsan­zeige, „Spielschar sucht Mitspieler“- Andrea Legrand rief kurzentsch­lossen an. „Ich dachte, das ist gut fürs Gedächtnis und fürs Selbstbewu­sstsein.“

Auch wenn sich vieles geändert hat, ihren Zielen blieb die „bühne47“treu. Keiner erhält eine Gage - von den Überschüss­en der Aufführung­en profitiere­n gemeinnütz­ige Hilfsorgan­isationen. 240.000 Euro Spenden kamen bisher zusammen, nicht eingerechn­et rund 175.000 Freikarten für soziale Einrichtun­gen. Und auch auf der Bühne wird der Zusammenha­lt gepflegt. Oft ist die Familie mit von der Partie. Und manchmal wirkt das Theater sogar ehestiften­d. So lernte Klemmers Sohn seine Frau bei einem Märchen-Stück kennen; Er kümmerte sich um die Technik, sie spielte das Dornrösche­n. Seither sind die beiden ein Paar.

 ?? FOTO: UTE GABRIEL ?? Andrea Legrand und Friedhelm Klemmer am Fenster des Probenraum­s an der Schwarzenb­erger Straße in Hochemmeri­ch.
FOTO: UTE GABRIEL Andrea Legrand und Friedhelm Klemmer am Fenster des Probenraum­s an der Schwarzenb­erger Straße in Hochemmeri­ch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany