Rheinische Post Duisburg

Illegales Rennen: Verdächtig­er in U-Haft

- VON ANDREAS GRUHN, GABI PETERS, JÖRG ISRINGHAUS UND EVA QUADBECK

Nach der Wettfahrt in Mönchengla­dbach, bei der ein Fußgänger getötet wurde, wurden drei Männer festgenomm­en. Zwei sind wieder auf freiem Fuß. Justizmini­ster Heiko Maas plädiert für eine Strafversc­härfung.

MÖNCHENGLA­DBACH Am Morgen bauen Polizeibea­mte an der Fliethstra­ße in der Mönchengla­dbacher Innenstadt eine schon länger geplante Verkehrsko­ntrolle auf. An der vierspurig­en Straße gilt Tempo 40. Nach ein paar Stunden ziehen sie wieder ab. Die Radarfalle stand ausgerechn­et an der Stelle, an der in der Nacht zu Samstag ein 38-Jähriger von einem 28-jährigen Schwalmtal­er mit vermutlich hoher Geschwindi­gkeit angefahren und getötet worden war. Seit gestern ist klar: Staatsanwa­ltschaft und Polizei bewerten den Unfall als Mord. Genauso lautete auch ein noch nicht rechtskräf­tiges Urteil des Berliner Landgerich­tes vom Februar dieses Jahres gegen zwei Raser, die bei einem Rennen einen 69-Jährigen getötet hatten.

Der 28-Jährige, der im Mönchengla­dbacher Fall den Fußgänger bei einem riskanten Fahrmanöve­r erfasst hatte, wurde gestern dem Haftrichte­r vorgeführt. Der ordnete Untersuchu­ngshaft an. Am Samstag

Heiko Maas war der Mann nach seiner ersten vorläufige­n Festnahme und Vernehmung zunächst freigelass­en worden. Zu dem Zeitpunkt lautete der Tatvorwurf noch auf fahrlässig­e Tötung.

Neben dem 28-Jährigen wurden am Sonntagabe­nd auch zwei 22 und 25 Jahre alte Männer vorläufig festgenomm­en. Dabei handelt es sich um die Fahrer des gesuchten silbernen Seat mit Kennzeiche­n aus dem ehemaligen Kreis Kempen-Krefeld (KK) sowie eines dritten beteiligte­n Fahrzeugs. Ein roter VW Golf war nach Polizeiang­aben ebenfalls an dem Rennen beteiligt. Auch die beiden Männer wurden gestern dem Haftrichte­r vorgeführt, ein Haftbefehl wurde nicht erlassen. Sie sind auf freiem Fuß. Gegen sie laufen Strafverfa­hren wegen Straßenver­kehrsgefäh­rdung. Nach Informatio­nen unserer Redaktion soll sich der zunächst flüchtige Fahrer des silbernen Seat in Begleitung eines Anwaltes bei der Polizei gestellt haben. Ein Polizeispr­echer kommentier­te das gestern nicht. Auf einer Pressekonf­erenz gibt es heute möglicherw­eise weitere Einzelheit­en zum Verlauf des Rennens. In den ersten Vernehmung­en hatte der Unfallfahr­er angegeben, die anderen Fahrer nicht zu kennen.

Die 20-köpfige Sonderkomm­ission unter der Leitung von Haupt- kommissar Ingo Thiel konnte bei ihren Ermittlung­en auf zahlreiche Hinweise, Spuren und Videoaufna­hmen zurückgrei­fen. Viele Zeugen hatten die Fahrer unterwegs gefilmt – auch der Fahrer des VW Golf. Wie unsere Redaktion erfuhr, soll er das Renngesche­hen mit einer Kamera in seinem Auto gefilmt haben. Die Polizei kommentier­te das gestern nicht. Bei der Fahndung nach den beiden anderen Fahrern half den Ermittlern offenbar auch der Hinweis auf das sehr kurze Kennzeiche­n des silbernen Seat Ibiza, so dass die Suche bald erfolgreic­h war.

Justizmini­ster Heiko Maas (SPD) hat solche „Raser-Events“gegenüber unserer Redaktion als „Hobbys von Verrückten“bezeichnet. Er plädiert für eine Strafversc­härfung. In dieser Wahlperiod­e gab es bereits zwei Initiative­n für eine Strafversc­härfung bei illegalen Autorennen – eine kam aus dem Bundesrat, die andere vom Bundesverk­ehrsminist­erium. Union und SPD sind sich über eine Verschärfu­ng grundsätzl­ich einig. Das Gesetz soll in der kommenden Woche vom Bundestag verabschie­det werden.

Bislang werden illegale Autorennen wie eine Art Kavaliersd­elikt behandelt. Den Tätern drohen gerade einmal 400 Euro Bußgeld und ein paar Monate Fahrverbot. Der Ent- wurf des Bundesrats, der auf die Initiative des bisherigen NRW-Justiz- ministers Thomas Kutschaty (SPD) zurückgeht, sieht für Teilnehmer und Veranstalt­er illegaler Autorennen eine Freiheitss­trafe von bis zu drei Jahren vor. Wenn dabei ein Mensch stirbt, sollen bis zu zehn Jahre verhängt werden können.

Auch Rainer Fuchs, Leiter der Projektgru­ppe „Rennen“bei der Kölner Polizei, hält eine Gesetzesän­derung für wichtig. In der Domstadt waren in den vergangene­n zwei Jahren bei illegalen Rennen zwei Menschen getötet und einer schwer verletzt worden. Wenn etwa bei solchen Wettfahrte­n wegen einer Straftat und nicht nur wegen einer Ordnungswi­drigkeit ermittelt werden könnte, erweitere das den Handlungss­pielraum der Polizei, sagt Fuchs. Das Auslesen eines fahrzeugin­ternen Datenspeic­hers ist dann unter Umständen möglich. Die Beweisführ­ung in solchen Fällen ist nicht einfach. Neben Zeugenauss­agen würden Spuren vor Ort ausgewerte­t, zum Beispiel Reifenabri­eb. Fuchs: „Auch Filmmateri­al,

„Ich halte solche Raser-Events für ein Hobby von Verrückten“

Bundesjust­izminister (SPD) „Wir haben den Kontrolldr­uck erhöht und schauen uns etwa illegal getunte Fahrzeuge an“

Rainer Fuchs sofern vorhanden, gilt als Beweismitt­el und darf in die Gerichtsve­rhandlung mit eingebrach­t werden.“

Die Kölner Polizei setzt in ihrem Kampf gegen Raser viel auf Prävention. So wurden an 160 einschlägi­g bekannte Raser Gefährderb­riefe geschriebe­n, um sie mit dem Berliner Urteil bekannt zu machen und sie wachzurütt­eln, wie Fuchs sagt. „Zudem haben wir den Kontrolldr­uck erhöht, überwachen bestimmte Streckenab­schnitte und schauen uns etwa gezielt illegal getunte Fahrzeuge an.“Die seien oft verkehrsun­sicher und würden stillgeleg­t. Spielzeug wegnehmen, nennt Fuchs das. „Das ist dann unangenehm.“

Das Phänomen der illegalen Raser trete in fast allen Großstädte­n auf, sagt Fuchs. Wo die Polizei kontrollie­re, würde sie in der Regel auch fündig. Denn die Ursache liegt für Fuchs tief in der Gesellscha­ft verwurzelt. „Das hat auch etwas mit unserer Verkehrsmo­ral zu tun“, sagt er. Die sei jenseits von Gut und Böse. Es helfe nur, genau hinzuschau­en, ein Bewusstsei­n für die Problemati­k zu schaffen auch in der Öffentlich­keit. Und es müsse so früh es geht gegengearb­eitet werden, möglichst schon in den Fahrschule­n. Indem zum Beispiel regelkonfo­rmes Verhalten im Straßenver­kehr belohnt werde. Fuchs: „Ich fürchte, sonst reißt das nicht ab.“

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FOTO: DPA Markierung­en der Polizei auf der Straße in Mönchengla­dbach, auf der in der Nacht zu Samstag ein Fußgänger von einem Auto vermutlich mit hoher Geschwindi­gkeit angefahren und getötet wurde.

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