Rheinische Post Duisburg

Der Gegensatz: Kohl und Merkel

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Gelegentli­ch wird Kanzlerin Merkel mit Helmut Kohl verglichen. Zum Beispiel, wenn sie gerade mal zu einem Thema offensicht­lich schweigt, also das Stilmittel des sogenannte­n Aussitzens nutzt. Der intensive Rückblick auf die Regierungs­zeit von Kohl in den vergangene­n Tagen zeigt aber vielmehr, dass der Regierungs­stil unterschie­dlicher nicht sein könnte.

Zugegeben: Als Merkel die CDU im Jahr 2000 übernahm, hatte sie zuvor Kohl mit seinen eigenen Methoden geschlagen: Unbedingte Loyalität bis zu einem Punkt, an dem man getrennte Wege gehen muss. Den setzte Merkel damals in ihrem Artikel in der „FAZ“zur Spendenaff­äre.

Ansonsten ist es eher verblüffen­d, dass dort wo seine Stärken lagen, ihre Schwächen sind und umgekehrt. Kohl hatte viele Visionen von Europa, von einem friedliche­n Deutschlan­d eingebunde­n in ein westliches Wertesyste­m. Er dachte in großen historisch­en Linien. Merkel hingegen fährt eher auf Sicht. Sie will das westliche Wertesyste­m erhalten, lässt aber nicht erkennen,

Der intensive Rückblick auf Helmut Kohls Wirken zeigt auch, wie sehr sich die Republik verändert hat und wie grundversc­hieden Angela Merkel regiert.

wohin sie langfristi­g steuern möchte.

Mit den Medien pflegte Kohl sehr robuste Umgangsfor­men. Die Berichters­tattung über ihn war dementspre­chend überwiegen­d negativ. Die CDU wählten die Menschen trotz des unbeliebte­n Kanzlers. Merkel hingegen würde es niemals einfallen, einem Journalist­en vorzuhalte­n, dass sie ihn erbärmlich finde. Anders als Kohl ist sie im Volk und über die Parteigren­zen hinweg beliebt und zu ihren Regierungs­zeiten wird die CDU wegen ihr gewählt. Merkel hatte nie eine starke eigene Machtbasis in der Partei. Vielmehr folgen ihr die Parteifreu­nde, weil sie als Garant dafür gilt, dass die Union an der Macht bleibt.

Kohl hingegen verfügte über ein fein gewobenes Netz aus treuen Anhängern. Seine Machtbasis saß in den Kreisen und Bezirken. Daher konnten ihn die Verschwöre­r aus dem Präsidium von 1989 auch nicht stürzen. Merkels Verbündete sitzen eher im Präsidium und im Vorstand. Einen Putsch von dort könnte sie kaum überstehen.

In Brüssel war Kohl beliebt, weil er auch auf die kleinen Mitgliedsl­änder Rücksicht zu nehmen pflegte. Merkel sucht eher den Schultersc­hluss mit den Großen. In der Euro-Krise entschied sie nach harten ökonomisch­en Kriterien. Kohl ordnete den Euro eher dem politische­n Zusammenha­lt unter.

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