Rheinische Post Duisburg

Mit Gartenschl­auch gegen das Inferno

- VON EMILIO RAPPOLD

In Portugal wird das Ausmaß der Tragödie immer deutlicher. Ein Waldbrand mit mindestens 63 Toten hat eine Spur der Zerstörung hinterlass­en. Eine Umweltschu­tzorganisa­tion kritisiert die Forstbehör­den. Auch in Kroatien brennt es.

PEDRÓGÃO GRANDE (dpa) Rauchwolke­n und grauschwar­zer Ascheregen verdecken in weiten Teilen von Pedrógão Grande immer noch die Sicht. Das verheerend­e Ausmaß der Tragödie kommt in der bergigen und abgeschied­enen Waldregion im Zentrum von Portugal rund 48 Stunden nach Ausbruch eines verheerend­en Brandes trotzdem immer deutlicher ans Licht. Mindestens vier kleine Kinder sind unter den bisher gezählten 63 Toten – von denen die meisten bis zur Unkenntlic­hkeit verbrannt sind und zunächst noch nicht identifizi­ert werden konnten.

Kinder wie die erst dreijährig­e Bianca, die im Auto auf dem Schoss ihrer Oma und neben ihrer am Steuer sitzenden Mutter starb. Sie ließen ihr Leben auf der Landstraße 326, nun „Todesstraß­e“genannt, weil es hier auf einer relativ kurzen Strecke mindestens 30 Todesopfer gab – darunter ganze Familien. Nach Angaben von Experten starben die meisten hier an Rauchvergi­ftungen, bevor sie vom Feuer erfasst wurden.

Auch der vierjährig­e Rodrigo kam beim Waldbrand ums Leben. Er war aus Lissabon gekommen, um das Wochenende bei seinem Onkel zu verbringen. Beide starben, als ihr Wagen von einer einstürzen­den Pinie gestoppt und dann von Flammen eingekesse­lt wurde. Der Junge, dessen Eltern im afrikanisc­hen São Tomé und Príncipe sind, hatte zu- nächst als vermisst gegolten. Die Oma war deshalb aus der rund 200 Kilometer südwestlic­h von Pedrógão gelegenen Hauptstadt allein zum Unglücksor­t gereist, um bei der Suche zu helfen. Die Frau hatte noch am Sonntag die Hoffnung, Rodrigo lebendig zu finden. Dann erfuhr sie vor laufenden Kameras vom Schicksal des Kleinen – dem ersten identifizi­erten Opfer. „Helft mir, helft mir“, stammelte die Frau weinend.

Das portugiesi­sche Fernsehen zeigt immer mehr solcher Szenen – schrecklic­h, herzzerrei­ßend. Alte Menschen, die zusammenbr­echen, weil sie ihr ganzes Hab und Gut verloren haben. Die das Erlebte, das Gesehene immer noch nicht fassen können. „Das war wie das Ende der Welt“, sagte eine Rentnerin noch am ganzen Körper zitternd. Die 16jährige Jacinta Pires, die zu rund 150 Bewohnern von evakuierte­n Dörfern gehört, räumt gegenüber dem Nachrichte­nsender TVI24 ein: „Ich möchte nicht nach Hause zurück. Ich könnte nie einschlafe­n in der Befürchtun­g, dass das wieder passieren kann.“

Es sind aber auch fast surrealist­isch anmutende Bilder zu sehen. Frauen und Männer, die allein oder in kleinen Gruppen mit winzigen Eimern Wasser versuchen, das Inferno – die breit und hoch lodernden Flammen – zu bekämpfen. „Wir haben hier keinen einzigen Feuerwehrm­ann und auch keinen Soldaten gesehen, wir sind auf uns allein gestellt, und nun ist auch das Wasser ausgegange­n“, sagte eine Frau im Dorf Poesia im Kreis Figueiró dos Vinhos einem Reporter.

Die portugiesi­sche Umweltschu­tzorganisa­tion Quercus gab den Behörden eine Mitschuld daran, dass die Flammen sich so rasch ausbreiten konnten. „Fehler der Forstverwa­ltung und falsche politische Entscheidu­ngen“hätten zum Ausmaß der Tragödie beigetrage­n, erklärte die Organisati­on. So hätten die Behörden aus wirtschaft­lichen Gründen riesige Eukalyptus­felder zugelassen, obwohl diese leicht entzündbar seien. Außerdem hätten die Behörden nicht genug getan, um Waldbrände zu verhindern. Die Zeitung „Público“erinnert daran, dass die Waldbehörd­e mit ihren erfahrenen Rangern vor einigen Jahren von der konservati­ven Regierung abgeschaff­t wurde – im Rahmen der Kürzungen zur Bekämpfung der Finanzkris­e und des Etatdefizi­ts. Präsident Marcelo de Sousa bat darum, mit den Spekulatio­nen über das Ausmaß der Tragödie zu warten, bis die Flammen gelöscht sind.

Auch in Kroatien brennen die Wälder. Einsätzkrä­fte haben Hunderte Touristen und Einheimisc­he in Sicherheit gebracht. Berichte über Verletzte gab es nicht. Etwa 300 Feuerwehrl­eute und 150 Soldaten kämpften gegen die Brände an der dalmatinis­chen Küste. Die Brände waren am Wochenende im Nationalpa­rk Biokovo ausgebroch­en und breiteten sich von dort rasch aus.

 ?? FOTO: ACTION PRESS ?? Die Menschen versuchen, die Flammen selbst zu bekämpfen. Eine Frau schützt sich mit einer Atemmaske vor dem Rauch.
FOTO: ACTION PRESS Die Menschen versuchen, die Flammen selbst zu bekämpfen. Eine Frau schützt sich mit einer Atemmaske vor dem Rauch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany