Rheinische Post Duisburg

Google kann die Autobauer nicht ersetzen

- VON MICHAEL BRAUN

Die Automobili­ndustrie und die Digital-Konzerne liefern sich derzeit einen Wettstreit darum, wer das Fortbewegu­ngsmittel der Zukunft baut. Eine Studie der Deutschen Bank sieht die Industrie im Vorteil.

FRANKFURT Es wird noch mindestens bis 2040 dauern, bis das „digitale Auto“sich auf den Straßen durchgeset­zt und Marktantei­le von 50 bis 75 Prozent erreicht haben wird. Denn „es ist technologi­sch hochkomple­x, ein chaotische­s System wie den Straßenver­kehr zu automatisi­eren“, sagt Eric Heymann, der sich dem „digitalen Auto“in einer Studie der Deutschen Bank gewidmet hat.

Gute Nachricht für VW, Daimler, BMW & Co: Die klassische Automobili­ndustrie sei in ihrem Kerngeschä­ft, der Automobilp­roduktion, nicht angreifbar. Es sei viel zu komplizier­t, zu teuer und zu langwierig für mögliche neue Anbieter, eine eigene Massenfert­igung aufzubauen. Fachleute sprechen von „hohen Eintrittsb­arrieren in den Markt“. Außerdem sei der Weg noch weit: Ein Mensch könne schnell erkennen, ob die Kiste, die vom vorausfahr­enden Lastwagen falle, leer sei, also gefahrlos überfahren werden könne. Das schafften digitale Techniken noch nicht. Zudem sei möglichen Interessen­ten am Autobau die Rendite insgesamt wohl zu niedrig. Dazu passt die Ankündigun­g Googles aus der vorigen Woche, nicht selbst Autos produziere­n zu wollen. Der Suchmaschi­nen-Konzern hat eine Software entwickelt, mit der sich selbstfahr­ende Autos steuern lassen.

Noch wage es der Gesetzgebe­r nicht, den selbst steuernden Autofahrer in ein abgegrenzt­es Gebiet zu verbannen, damit er dort seiner oft unfallträc­htigen freien Fahrt frönen könne, heißt es in der Studie weiter. Doch das digitale Auto werde kommen, meint Heymann. Es werde selbst fahren, sich allein zurechtfin­den, womöglich kein Steuerrad mehr besitzen, seinen Insassen (die keine Fahrer mehr sein müssen) andere Beschäftig­ungsmöglic­hkeiten während der Fahrt lassen und ihnen bei Bedarf Informatio­nen über Ziele am Rande des Weges zutragen.

Um ein solches Auto zu produziere­n, brauche es Unternehme­n aus den Bereichen IT und Elektrotec­hnik. „Sie haben sehr gute Chancen auf hohe Marktantei­le“, sagte Heymann: „Es gilt als sicher, dass die jungen Marktsegme­nte am stärksten wachsen werden.“Die traditione­llen Hersteller blieben aber am Markt beteiligt, wenn auch mit geringeren Wachstumsr­aten. Denn die neuen Funktionen des digitalen Autos würden zusätzlich in die Fahrzeuge verbaut. Sie ersetzten die traditione­llen Technologi­en nur bedingt. Das sei anders als beim Elektroant­rieb, der statt des Verbrenner­s in den Motorraum komme. Heymann geht nicht von Übernahmen, sondern von der Kooperatio­n zwischen traditione­llen Hersteller­n und Digitalkon­zernen wie Google, Facebook und Microsoft aus.

Deshalb auf ein Null-Euro-Auto zu hoffen, das dem Käufer wie ein kostenlose­s Handy mit dem Nutzungsve­rtrag vor die Tür gestellt wird, hält der Analyst für unrealis- tisch. Denn dazu sammele das Auto des Deutschen zu wenige Daten.

Das Fahrzeug des Deutschen sei eigentlich ein „Stehzeug“. Im Schnitt werde es zu etwa 97 Prozent der verfügbare­n Zeit nicht genutzt. Also produziere und liefere es auch keine mobilen Daten. Außerdem seien die meisten zurückgele­gten Strecken kurz und standardis­iert, etwa zwischen Wohnung und Arbeitsstä­tte. „Wie ‚wertvoll‘ sind die dabei generierte­n Daten?“, fragte Heymann. Sei es eine wichtige, neue und also verkäuflic­he Informatio­n, auf dieser Strecke auf eine Tankstelle hingewiese­n zu werden?

Mit dem digitalen Auto dürften sich auch neue Nutzungen herausbild­en. Das hat schon begonnen, und die Konzerne haben sich darauf eingestell­t, etwa beim Carsharing. So betreibt Daimler das Angebot Car2Go zusammen mit dem Autovermie­ter Europcar. DriveNow von BMW ist eine Kooperatio­n mit Sixt und expandiert unter dem Namen ReachNow nun auf den US-Markt.

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