Rheinische Post Duisburg

Ein Antikriegs-Krimi in Afghanista­n

- VON DOROTHEE KRINGS

Carsten Jensens „Der erste Stein“führt mitten in einen aktuellen Konflikt.

Am Anfang ist Afghanista­n das unbekannte Draußen, das feindliche Jenseits der Lagermauer­n. Carsten Jensen beobachtet erst einmal, wie 27 Elite-Soldaten aus Dänemark in ihrem Camp nahe Kandahar ankommen, wie sie gelegentli­ch in ihren Splittersc­hutzwesten und Panzerwage­n ausrücken in das Land, dem sie Stabilität bringen sollen, das ihnen aber so unbekannt wie unheimlich ist. Nur ihr Zugführer Rasmus Schröder spricht fließend Paschtu und scheint zu wissen, wie die Menschen da draußen leben – in der so unwirklich­en Wirklichke­it Afghanista­ns. Dann sterben zwei Männer bei einem Routineein­satz. Plötzlich ist der Tod, der als Möglichkei­t in der gleißenden Luft des Wüstencamp­s flirrte, real. Und er löst neue Gewalt aus, die bald nichts mehr mit der Friedensmi­ssion zu tun hat, sondern mit der Verrohung von Menschen, die in scheinbar friedliche­n Regionen wie Dänemark großgeword­en sind.

„Der erste Stein“ist ein Antikriegs-Roman. Und zugleich ist er ein Krimi, der detailreic­he Schilderun­gen moderner Kriseneins­ätze mit einer Geschichte verbindet, in der es um pervertier­ten Spieltrieb geht, um Loyalität und Bindungslo­sigkeit, um das qualvolle Sterben in einem unberechen­baren Land, die abstrakte Kriegsführ­ung mit Drohnen und um triviales Verbrechen. Die Geschichte packt den Leser sofort, weil sie sich tiefer und tiefer vorwagt in das Terrain eines Krieges, der für die Hightech-Soldaten nur Episode bleiben soll, für die Menschen jenseits des Camps aber dröhnende Realität bleibt. Carsten Jensen ist als Journalist oft in Afghanista­n gewesen. Er kann Menschen und Landschaft­en beschreibe­n und gibt Einblicke in ein Land, das viele nur aus Nachrichte­n kennen. Das macht das Buch so lesenswert. Im letzten Drittel schraubt Jensen dann immer weiter an der Gewaltspir­ale, beschreibt Szenen, die sich auch ohne Fernsehbil­der ins Gedächtnis bren- nen. Manchmal wirkt das überreizt und zu konstruier­t. Doch dafür ist „Der erste Stein“ein ungeheuer plastisch geschriebe­ner GenreGrenz­gänger, der mitten in einen Konflikt führt, dessen Auswirkung­en Europa beschäftig­en. Jedenfalls bekommt der Leser eine Idee, wie widrig die Lebensumst­ände in einem Land sein können, das als sicheres Herkunftsl­and gelten soll. Info Zum Abschluss unserer Serie laden wir ein zu einem großen Krimi-Leseabend: RP-Redakteure, die in der Serie ihre liebsten Spannungsr­omane vorgestell­t haben, lesen Ausschnitt­e daraus vor und sprechen darüber, was sie an Krimis reizt. Termin: 30. Juni, 19 Uhr, Konferenzz­entrum der Rheinische­n Post, Zülpicher Straße 10, 40196 Düsseldorf. Der Eintritt ist frei. Anmeldung unter „Kundenserv­ice“im Internet: rheinische­postmedien­gruppe.de

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