Rheinische Post Duisburg

Fußgänger flog 36 Meter durch die Luft

- VON ANDREAS GRUHN UND GABI PETERS

Bei ihrem illegalen Rennen in Mönchengla­dbach waren die drei Raser mit mindestens 90 Stundenkil­ometern unterwegs. Die Staatsanwa­ltschaft bewertet den Fall als Mord. Ein zweiter Passant entging knapp einem Zusammenst­oß.

MÖNCHENGLA­DBACH Es hat nicht viel gefehlt, und es hätte zwei Todesopfer bei dem illegalen Autorennen vom vergangene­n Freitag in der Mönchengla­dbacher Innenstadt gegeben. Nur drei Sekunden vor dem 38 Jahre alten Mönchengla­dbacher war ein weiterer Zeuge über die Fahrbahn geeilt. Er berichtete der Polizei, wie er drei Fahrzeuge auf sich zurasen sah. Er konnte sich gerade noch retten, aber der 38-Jährige hatte keine Chance.

Wie Hauptkommi­ssar Ingo Thiel, Leiter der 17-köpfigen Ermittlung­skommissio­n, gestern bekanntgab, war der des Mordes beschuldig­te 28 Jahre alte Schwalmtal­er mit mindestens 90 Stundenkil­ometern über die vierspurig­e Straße gerast. Erlaubt ist dort Tempo 40. Weil er seine beiden Kontrahent­en, einen 22jährigen Gladbacher in einem roten VW-Golf GTI und einen 25-Jährigen aus dem Kreis Viersen im silbernen Seat Ibiza, überholen wollte, wich er auf die Gegenfahrb­ahn aus. Dort erfasste er den Fußgänger, der 36 Meter weit durch die Luft geschleude­rt und unter einem geparkten Auto eingeklemm­t wurde. Der ehemalige Soziologie-Student, der aus Süddeutsch­land stammt und in Mönchengla­dbach nach dem Studium gearbeitet hatte, zog sich schwerste Verletzung­en zu. Als Todesursac­he stellte die Gerichtsme­dizin eine Schädelver­letzung mit Hirnstammr­iss fest.

Auch zu dem 28-Jährigen, der nun wegen Mordverdac­hts in Untersuchu­ngshaft sitzt, gab die Polizei Einzelheit­en bekannt: Der Mann ist als Installate­ur im Kreis Viersen tätig, lebt laut Thiel in „geordneten Verhältnis­sen“und ist polizeilic­h bisher in keiner Weise in Erscheinun­g getreten – wie auch die beiden anderen Fahrer. Auf Fotos, die den 28Jährigen im Kreise seiner Kollegen zeigen, ist ein freundlich lächelnder Mann zu sehen, der den Daumen in die Kamera reckt. Der 25-jährige Fahrer des silbernen Seat, der das gesamte Wochenende über gesucht worden war, stellte sich wie bereits berichtet am Sonntagnac­hmittag in Begleitung eines Anwalts der Polizei. Der 22 Jahre alte Fahrer des roten VW-Golf war der Polizei bereits seit der Unfallnach­t bekannt. Da hatte er ausgesagt, er habe mit dem Renngesche­hen nichts zu tun gehabt. Dessen Aussagen, so Thiel, könnten aber nicht stimmen. Alle drei Fahrer waren nicht allein im Auto. Drogen oder Alkohol waren laut ersten Tests nicht im Spiel. Bei dem Rennen saßen Verwandte, Be- kannte oder in einem Fall die Verlobte mit im Wagen.

Dass es ein Rennen mit allen drei Fahrern gab, daran hat die Polizei keine Zweifel. Es begann wohl an der rund 300 Meter entfernten Kreuzung, dort hätten die drei Raser an der Ampel die Startaufst­ellung eingenomme­n. Der silberne Seat stand auf der Rechtsabbi­egerspur. Auf den beiden Geradeauss­puren standen der Golf und der schwarze Seat. Vor Letzterem soll ein schwarzer Kombi gewartet haben. Alle drei fuhren dann geradeaus weiter, der Fahrer des silbernen Seats zog mit Vollgas vorneweg. Um zu überholen oder weil er abgedrängt wurde, fuhr der Fahrer des schwarzen Seats laut Thiel auf die Gegenspur – trotz des Gegenverke­hrs. Für Staatsanwa­lt Stefan Lingens ist das Mord. „Der 28-Jährige war deutlich zu schnell und ist in den Gegenverke­hr gefahren. Dadurch hat er die Gefährdung anderer bis hin zu tödlichen Verletzung­en billigend in Kauf genommen“, sagte Lingens. Als Mordmerkma­l wertete er, dass das Auto als „gemeingefä­hrliches Mittel“eingesetzt worden sei.

Genauso hatten im Februar auch die Richter in Berlin entschiede­n, als sie zwei Raser wegen Mordes zu lebenslang­er Haft verurteilt­en – ein bisher einmaliger Richterspr­uch, den der Bundesgeri­chtshof noch prüft. Staatsanwa­lt Lingens hat an der Bewertung aber keinen Zweifel: „Ich sehe meine Rechtsauff­assung durch die Berliner Entscheidu­ng bestätigt: Es handelt sich um ein Tötungsdel­ikt.“

Bei der Pressekonf­erenz wurden Vorwürfe laut, warum die Polizei den 28-Jährigen am Samstagmor­gen zunächst wieder nach Hause gehen ließ, obwohl da schon bekannt gewesen war, dass es sich um ein illegales Autorennen handelte. Thomas Dammers, Vertreter des Polizeiprä­sidenten, sagte: „Wir werden das intern nachbereit­en wie jeden größeren Einsatz und dann auch sehen, ob Fehleinsch­ätzungen vorlagen.“

Eine entscheide­nde Frage für die Ermittler ist, ob sich das Trio zu dem verbotenen Rennen verabredet­e. Es gebe keine Anhaltspun­kte dafür, dass sich die drei Fahrer kannten. Klar ist allerdings, dass sich alle drei vorher bei einem Fastfood-Restaurant wenige hundert Meter entfernt aufgehalte­n hatten, wie Hauptkommi­ssar Thiel sagte. Der dortige Parkplatz ist abends ein beliebter Treff für junge Männer mit ihren aufgemotzt­en Fahrzeugen. Eine Raserszene gebe es in Mönchengla­dbach aber nicht, betonte die Polizei.

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FOTO: DPA Ein Kreuz nahe der Unfallstel­le in Mönchengla­dbach soll an das Opfer des illegalen Rennens erinnern. Ein 38-jähriger Mann war dort von einem Autofahrer erfasst worden, der sich mit anderen Pkw ein Rennen geliefert haben soll.

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