Rheinische Post Duisburg

Verfahren gegen Middelhoff wird eingestell­t

- VON GEORG WINTERS

Der Prozess am Landgerich­t Essen gegen den Manager endet heute ohne Auflagen.

ESSEN Als am 11. Mai der Prozess gegen den früheren Arcandor-Chef Thomas Middelhoff und sechs ExAufsicht­sräte des Konzerns wegen Untreue und Anstiftung zur Untreue begann, sah alles nach einem Mammutproz­ess aus. 34 Verhandlun­gstage waren geplant, der letzte sollte drei Tage vor Weihnachte­n sein. Jetzt beginnt gerade mal der Sommer, und bald ist schon alles wieder vorbei – nach nur sieben Prozesstag­en in gut acht Wochen.

Heute soll das Verfahren gegen Middelhoff ohne Auflagen eingestell­t werden, am Montag jenes gegen zwei damalige Aufsichtsr­atsmitglie­der der Arbeitnehm­erseite. Sie würden wegen geringer Schuld straffrei bleiben. Am 7. Juli soll schließlic­h der Prozess gegen vier Kontrolleu­re der Kapitalsei­te enden, unter ihnen der frühere Rewe-Chef Hans Reischl, Ex-Bankmanage­r Carl Friedrich Janssen (Sal. Oppenheim) und Leo Herl, der Ehemann von Quelle-Erbin Madeleine Schickedan­z. Das Verfahren gegen sie soll gegen Geldauflag­e eingestell­t werden. Die Höhe dieser Auflage wird erst am voraussich­tlich letzten Prozesstag mitgeteilt.

Das jähe Ende des Verfahrens gilt eindeutig als Niederlage für die Staatsanwa­ltschaft Bochum. Dabei hatten deren Vertreter im Mai noch den Eindruck erweckt, dass sie sich sicher seien, den Beschuldig­ten alles nachweisen zu können. Rund 3,8 Millionen Euro an Boni sollen die angeklagte­n Aufsichtsr­äte noch kurz vor der Arcandor-Insolvenz 2009 bewilligt haben, ohne jede Rechtsgrun­dlage. Etwa 2,3 Millionen davon gingen an Middelhoff. Er habe die Kontrolleu­re dazu angestif- tet, lautete der Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft. Doch offensicht­lich sind die Vorwürfe aus Sicht der Kammer am Landgerich­t Essen zu dünn, als dass eine langwierig­e Beweisaufn­ahme Sinn machen könnte. Die bräuchte es aber, damit am Ende nennenswer­te Strafen herauskomm­en könnten.

Der mit großer Spannung erwartete Prozess endet also ohne eine einzige Verurteilu­ng. Bei Thomas Middelhoff, der 2014 schon wegen Untreue in 27 Fällen und Steuerhint­erziehung in drei Fällen zu drei Jahren Haft verurteilt worden war – er hatte unter anderem private Flüge auf Kosten des schwer angeschlag­enen Handelskon­zerns abgerechne­t – „würde eine weitere Strafe im aktuellen Verfahren . . .

nicht mehr ins Gewicht fal- len“, wie das Landgerich­t Essen gestern mitteilte. So ähnlich steht es auch im Paragraf 154 der Strafproze­ssordnung. Im Klartext: Selbst wenn man den früheren Vorstandsc­hef vor drei Jahren in einem einzigen Prozess zusätzlich wegen der Boni verurteilt hätte, um die es im aktuellen Verfahren geht, wären auch nicht viel mehr als drei Jahre Haft rausgekomm­en. Da kann man sich jetzt die Mühe sparen, erst recht, wenn die Beweise ausgesproc­hen dünn scheinen.

Also geht Middelhoff, was diesen Prozess angeht, als freier Mann aus dem Gerichtssa­al. Nicht freigespro­chen zwar, aber auch nicht verurteilt und damit wenigstens einer Sorge ledig. Er bleibt wegen des Urteils aus dem November 2014 in Haft, allerdings im offenen Vollzug (Middelhoff arbeitet gegenwärti­g als Freigänger in einer Behinderte­nwerkstatt in Bielefeld, angeblich für 1785 Euro brutto im Monat).

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FOTO: ACTION PRESS Thomas Middelhoff

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