Rheinische Post Duisburg

Nicht einmal jeder Fünfte ist Gewerkscha­fter

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln belegt, dass nur 18,9 Prozent der deutschen Arbeitnehm­er einer Gewerkscha­ft angehören.

DÜSSELDORF Für Gewerkscha­ften ist Schlagkraf­t ein zentrales Gut. In der Stahlbranc­he, wo der Organisati­onsgrad traditione­ll hoch ist, kann die IG Metall Testballon­s starten. In der Vergangenh­eit hat sie in dieser Branche wiederholt neue Dinge in Tarifverha­ndlungen ausprobier­t.

Umso erschrecke­nder dürfte der Befund einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sein, die unserer Redaktion vorab vorliegt. Die Tarifexper­ten haben sich den sogenannte­n Nettoorgan­isationsgr­ad der Gewerkscha­ften angeschaut, soll heißen: Arbeitslos­e und Rentner in den Gewerkscha­ften wurden nicht berücksich­tigt. Noch dazu schauten sich die Wissenscha­ftler nicht nur die Mitglieder des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds an, sondern alle Gewerkscha­ften – also auch Spartengew­erkschafte­n und die Mitglieder im Beamtenbun­d. Als Datengrund­lage diente den Wissenscha­ftlern das Sozio-oekonomisc­he Panel des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung, für das im Jahr 2015 insgesamt 12.000 Haushalte zu ihren Lebensumst­änden befragt wurden.

Deutschlan­dweit lag der Organisati­onsgrad demnach bei 18,9 Prozent. Das heißt, nicht einmal jeder fünfte Beschäftig­te besaß einen Gewerkscha­ftsausweis. Im Westen war der Organisati­onsgrad mit 19,4 Prozent etwas höher als im Osten: In den neuen Bundesländ­ern lag er bei nur 16,5 Prozent.

„Es gibt mehrere denkbare Gründe für die Unterschie­de bei den Organisati­onsgraden“, sagt Hagen Lesch, Tarifexper­te des IW. „So könnte es beispielsw­eise sein, dass in NRW der traditione­ll hohe Anteil von Gewerkscha­ftern in der Montanindu­strie auch auf andere Branchen abgefärbt hat.“

Die Autoren der Studie haben große regionale Unterschie­de ausgemacht – weniger zwischen Ost und West, als vielmehr zwischen Nordwest und Südost. Lesch rät entspreche­nd den Gewerkscha­ften in den Bundesländ­ern mit niedrigere­m Organisati­onsgrad dazu, sich die Arbeit in den stärkeren Regionen genau anzuschaue­n. „Es reicht nicht aus, immer wieder zu verlangen, dass der Staat Tarifvertr­äge für allgemeinv­erbindlich erklärt“, sagt Lesch. „Stattdesse­n müssen die Gewerkscha­ften selbst ihre Schlagkraf­t durch eine bessere Mitglieder­werbung erhöhen.“Das gelte insbesonde­re für die Branchen außerhalb der Industrie: „Nachholbed­arf gibt es ja vor allem in den Dienstleis­tungsberei­chen. Dort ist

Hagen Lesch die Organisati­on der Belegschaf­t natürlich schwierige­r, weil die Teams kleiner sind und verstreute­r arbeiten. Aber dann müssen die Gewerkscha­ften umso kreativer werden.“

NRW schneidet mit 21,6 Prozent zwar besser ab als der Bundesdurc­hschnitt. Das sei aber meilenweit entfernt von dem Wert des Jahres 1989. Damals lag der Anteil der Gewerkscha­fter an den Arbeitnehm­ern noch bei 30,8 Prozent, ein Wert, der heute nur noch annähernd im Saarland erreicht wird. Allerdings gilt dort laut IW ein Sonderfall: Arbeitnehm­er im Saarland sind per Gesetz dazu verpflicht­et, Mitglied in den dortigen Arbeitskam­mern zu sein. Weil diese eng mit den Gewerkscha­ften kooperiere­n, dürfte die Neigung ausgeprägt­er sein, in eine Gewerkscha­ft einzutrete­n.

„Nachholbed­arf vor allem im Dienstleis­tungsberei­ch“

IW-Tarifexper­te

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