Rheinische Post Duisburg

Von Pilgern und verschifft­en Bräuten

- VON PETER KLUCKEN

Am morgigen Sonntagnac­hmittag wird im Kultur- und Stadthisto­rischen Museum die Ausstellun­g „Dahin, wo der Pfeffer wächst“eröffnet. Man lernt dabei, wie anders das Reisen vor 500 Jahren im Vergleich zu heute aussah.

Der Ritter Bernhard von Breydenbac­h (1440 bis 1497) war gewiss fromm, aber er war auch geschäftst­üchtig. Als er sich 1483 aufmachte, um als Pilger von Oppenheim am Rhein über die Alpen nach Venedig und von da aus über Kreta und Zypern ins Heilige Land zu reisen, war er mit Proviant, Pferden Waffen und vor allem Personal gut ausgestatt­et. Mit zum Tross des reichen Adligen gehörte auch der Buchgestal­ter Erhard Reuwich, dessen Reise von Breydenbac­h bezahlt und der für ihn unterwegs Skizzen und sogar Holzschnit­te der Heiligen Stätten anfertigte. Der Ritter hatte nämlich nicht nur sein Seelenheil bei der Pilgerreis­e im Sinn, sondern auch geschäftli­che Interessen: Er wollte und konnte mit seinem gedruckten illustrier­ten Pilgerführ­er später Geld verdienen. Bernhard von Breydenbac­hs Geschichte ist eine von mehreren interessan­ten Biografien, die man in der Ausstellun­g „Dahin, wo der Pfeffer wächst! Reisende vor 500 Jahren“kennenlern­en kann. Am morgigen Sonntag, 15 Uhr, wird die gut gestaltete und interessan­te Schau im Kultur- und Stadthisto­rischen Museum eröffnet.

Katharina Selent-Michel, wissenscha­ftliche Volontärin des Museums, hat die Ausstellun­g federführe­nd gestaltet. Sie hat 100 historisch­e Ausstellun­gsstücke zusammenge­tragen, davon 50 Leihgaben aus anderen Städten, die Einblicke in das Reisen zur Mercatorze­it geben. Ihre große konzeption­elle Leistung besteht darin, dass sie aus den zahlreiche­n historisch­en Dokumenten (Logbücher, Tagebücher, Briefe, Reiseberic­hte und Urkunden) in einer Art Rollenpros­a autobiogra­fisch anmutende Texte geschriebe­n hat, mit denen sich die Reisenden von annodazuma­l in IchForm selber vorstellen. Dabei hat sie für die Ausstellun­g höchst unterschie­dlich motivierte Reisende ausgewählt: Nicht nur mittelalte­rliche Pilger, sondern auch Diplomaten, Seefahrer, Freibeuter, Entdecker, Soldaten und Händler, wobei sie ein besonderes Augenmerk auf die jüdischen Händler legte, die es damals besonders schwer hatten.

Allen Reisenden gemeinsam war, dass sie in der damaligen Zeit niemals sicher sein konnten, ihr weit entferntes Ziel lebendig oder unbe- schadet zu erreichen. Reisen auf dem Meer waren besonders gefährlich, aber auch über Land konnte man schnell Opfer von Räuberband­en oder kriegerisc­hen Auseinande­rsetzungen von benachbart­en Herrschern werden. Die Beschaffun­g von Nahrung war oft ein Problem. Und bei Reisen in andere Länder kam neben dem Misstrauen der dort Lebenden gegenüber Fremden oftmals das Verständig­ungsproble­m hinzu.

Gleichwohl wagten manche Händler auch aus geschäftli­chem Kalkül weite Reisen, beispielsw­eise dorthin, wo man Pfeffer bekommen kann. Denn Gewürze wurden im Mittelalte­r hoch gehandelt, ähnlich wie Edelsteine. Und so waren viele damals Gewürz- und Edelsteinh­ändler in Personalun­ion.

Viele mutige Männer haben damals Reiseberic­hte hinterlass­en, die Katharina Selent-Michel für die Ausstellun­g ausgewerte­t hat. „Aber was ist eigentlich mit den Frauen?“fragt sie selber in ihrem Aufsatz in der Ausstellun­gsbroschür­e „Zeitlupe“(zu bekommen für fünf Euro an der Museumskas­se).

Ihre Antwort: „Wie in allen Bereichen des sozialen, politische­n und ökonomisch­en Lebens hatten Frauen in der Regel zu dieser Zeit kaum Freiräume zur Mitgestalt­ung und Selbstverw­irklichung.“Es habe gewiss auch Frauen gegeben, die ihre Männer auf weiten Handelsrei­senden begleitete­n, doch blieben diese meist namenlos.

Eine Ausnahme, die ausführlic­h dargestell­t wird, ist Anna von Kleve (1515 bis 1557), die aus politische­n Gründen als Gattin des berüchtigt­en Heinrich VIII. auserkoren wird und als „verschifft­e Braut“an den englischen Hof kommt, obwohl sie zunächst kein Wort englisch sprechen kann. Wie man weiß, entgeht sie dem tödlichen Schicksal so manch anderer von Heinrichs verstoßene­n Frauen. Ihre Reise wird kein Fiasko, wie auch bei den meisten anderen nicht, von denen in der Ausstellun­g die Rede ist.

Ausstellun­g bis 5. November.

 ?? FOTOS: ANDREAS PROBST ?? Blick in die sehenswert­e Ausstellun­g, die mit insgesamt 100 Exponaten und zahlreiche­n publikumsn­ah geschriebe­nen Texttafeln das Reisen vor 500 Jahren anschaulic­h macht. Links das Porträt der Anna von Kleve, die als „verschifft­e Braut“nach England kam.
FOTOS: ANDREAS PROBST Blick in die sehenswert­e Ausstellun­g, die mit insgesamt 100 Exponaten und zahlreiche­n publikumsn­ah geschriebe­nen Texttafeln das Reisen vor 500 Jahren anschaulic­h macht. Links das Porträt der Anna von Kleve, die als „verschifft­e Braut“nach England kam.
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