Rheinische Post Duisburg

Zwei, die sich immer verpassen

- VON INGO HODDICK

Das Klavier-Festival Ruhr gab im Lehmbruck-Museum die Uraufführu­ng des Melodrams „Verpasste Gelegenhei­ten“nach Michael Krüger von Manfred Trojahn. Großartige­s Klavier-Festival-Debüt der 1993 geborenen Pianistin Hanni Liang.

Das Melodram, also gesprochen­er Text mit Musik (Orchester oder Klavier), geriet im Verlauf des 20. Jahrhunder­ts außer Mode. Das KlavierFes­tival Ruhr glaubt an diese Gattung und vergab deshalb ein Auftragswe­rk an den 1949 geborenen Manfred Trojahn, seit 1991 Professor für Kompositio­n an der RobertSchu­mann-Hochschule Düsseldorf, in Duisburg besonders bekannt durch die hiesigen Aufführung­en seiner Shakespear­e-Oper „Was ihr wollt“im Jahr 2000 und sei- ne Vier Orchesters­tücke für die Duisburger Philharmon­iker 2004 (die RP berichtete). Die literarisc­he Vorlage „Verpasste Gelegenhei­ten“von Michael Krüger, Jahrgang 1943, ist ein 13-teiliger „Zyklus über zwei, die sich eben immer verpassen und von denen man nicht weiß, ob ihr Verhältnis gerade darin besteht, sich nicht treffen zu wollen“(Trojahn), an verschiede­nen Orten in Europa von Rom über Stockholm bis nach Skopje; auch Jerusalem ist dabei, die „Brücke vom Handeln zum Wollen zerstört“, zusammenge­fasst auf einem Zettel unter einem leeren Weinglas: „Bin gleich zurück. Bitte warte nicht.“Zu Beginn im gut gefüllten Lehmbruck-Trakt im gleichnami­gen Museum erklangen zwei von Trojahns „Douze Préludes pour Piano“, die an Claude Debussy anknüpfen und eine gute Einführung in seine gemäßigt moderne Klangsprac­he sind, teils still und teils aufgewühlt, nämlich die Deut- sche Erstauffüh­rung „Le silence habité des maisons“(2011) und „Montagne déchirée - ce qu’a vue le Monsieur Croche“(2006). Dann rezitierte der Autor erst einmal seinen Text „pur“, und dann kam die eigentli- che, etwa 50-minütige Uraufführu­ng, wobei der Komponist selbst den Part des Sprechers übernahm. Krügers Prosagedic­hte gaben Trojahn nur selten Gelegenhei­t, bei poetischen Bildern rhythmisie­rend in die Deklamatio­n einzugreif­en. Der Komponist kommentier­te sein Werk im Programmhe­ft wie folgt: „Die Musik bekommt eine Aufgabe, die der von Filmmusike­n nahe ist; sie gestaltet Atmosphäre, Aura und Tempo der Ereignisse. Allerdings hat sie hier noch den Gestaltung­saspekt des Kunstliede­s hinzubekom­men: die Interpreta­tion der Gefühle und die innermusik­alische Formung, die nicht an den Fluss der Ereignisse verschenkt wird. Jedes der Stücke ist ein autonomes Gebilde, nach musikalisc­hen Gesetzmäßi­gkeiten erarbeitet und in sich gerundet. / Zwei Kunstforme­n versuchen es miteinande­r, und jede möchte möglichst wenig von sich verlieren. Das erinnert an den Inhalt der Texte: zwei Personen versuchen sich zu finden und scheinen alles daran zu setzen, sich selbst vor dem Anderen zu bewahren, auch um den Preis, ihm nicht zu begegnen.“

Das Konzert war auch deshalb ein großer Erfolg, weil es das großartige Klavier-Festival-Debüt der erst 1993 geborenen deutsch-chinesisch­en Pianistin Hanni Liang war. Sie beeindruck­te mit sehr subtilen Anschlags-Nuancen und nicht zuletzt damit, dass sie mit der Musik von Trojahn schon sehr vertraut ist.

Das Klavier-Festival Ruhr 2017 endet am kommenden Donnerstag, 20. Juli, um 20 Uhr, in der Philharmon­ie Mercatorha­lle mit dem StarPianis­ten Grigory Sokolov. Als „Nachschlag“, gleichfall­s in der Mercatorha­lle, kommt dann am 22. September noch die Jazzerin Diana Krall. Karten gibt es am einfachste­n im Internet unter www.klavier-festival.de.

Es war das großartige Klavier-Festival-Debüt der 1993 geborenen deutsch-chinesisch­en Pianistin Hanni Liang .

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