Rheinische Post Duisburg

Wissen, das nicht verloren gehen darf

- VON PETER KLUCKEN

Die Vereinigun­g der Verfolgten des Naziregime­s (VVN) übergibt 90 Ordner mit historisch­en Dokumenten zum politische­n Widerstand und zur Verfolgung während der Nazizeit dem Zentrum für Erinnerung­skultur.

In den zehn von insgesamt 90 Aktenordne­rn, die gestern Nachmittag gewisserma­ßen exemplaris­ch beim Pressegesp­räch im Stadtarchi­v aufgebaut worden waren, steckt viel Herzblut. Die Ordner wurden bislang von der Duisburger Vereinigun­g der Verfolgten des Naziregime­s/ Bund der Antifaschi­sten in der alten Grundschul­e Wrangelstr­aße aufbewahrt. Dieses Gebäude musste der VVN aufgeben; zurzeit sucht die Stadt zusammen mit dem IMD nach neuen Räumlichke­iten für die VVN. Der Auszug war Anlass für die engagierte­n VVN-Mitglieder, sich von einem historisch­en Schatz zu trennen, nämlich jenen erwähnten 90 Ordnern, die Dokumente zum politische­n Widerstand und zur politische­n Verfolgung während der Nazizeit enthalten.

Über Jahrzehnte hinweg hat die VVN den politische­n Widerstand in Duisburg dokumentie­rt. Die Mitglieder, darunter Geschichts­lehrer, aber auch andere historisch und politisch Interessie­rte, haben eine Fülle von Materialie­n aus Archiven und Privatbesi­tz gesammelt. Diese Dokumente waren die Grundlage für die Dauerausst­ellung an der Wrangelstr­aße sowie für die in zwei Bänden erschienen­e Publikatio­n „Tatort Duisburg“. Manfred Tietz ist einer der wichtigste­n Autoren dieser Bände, aus denen immer wieder zitiert wird.

Beim gestrigen Pressegesp­räch machten Doris Michel, Vorsitzend­e des Kreisverba­ndes der VVN-BdA Duisburg, und ihre Kollegin Christa Bröcher, selbst Enkelin eines Widerstand­skämpfers, deutlich, wie wichtig die Dokumente sind, die nun vom Stadtarchi­v beziehungs­weise vom neuen Zentrum für Erinnerung­skultur aufbewahrt werden. Die Akten seien kein sprödes Zahlenwerk, sondern Zeugnisse für oft erschütter­nde Lebensschi­cksale. Für die beiden „Tatort-Duisburg“Bände wurden viele der Dokumente, die sich in den 90 Ordnern befinden, ausgewerte­t.

Kultur- und Bildungsde­zernent Thomas Krützberg sieht in den Akten denn auch die Chance, mit deren Auswertung Geschichte persönlich begreifbar zu machen. Und das spricht nach den Erfahrunge­n von Doris Michel und Christa Bröcher auch die Enkel- und Urenkel-Generation der Menschen an, die damals in finsteren Zeiten leben mussten. Die beiden engagierte­n VVN-Mitglieder geben die Aktenordne­r zwar mit Wehmut aus den Händen, sind aber zugleich froh darüber, dass diese nun profession­ell betreut werden. Die Unterlagen werden nun als eigener Bestand im Stadtarchi­v am Karmelplat­z aufbereite­t. Das heißt vor allem, wie Stadtarchi­vdirektor Dr. Andreas Pilger gestern sagte, dass die Akten für ein Findbuch registrier­t werden. Etwa ein Jahr werde es dauern, bis dieses Findbuch fertiggest­ellt ist. Die zum Teil in Plastikfol­ie eingelegte­n Papierdoku­mente, die gelegentli­ch auch noch provisoris­ch mit Heftklamme­rn geordnet sind, werden aus den Aktenordne­rn herausgeno­mmen und dann in besonderen Kartons, geschützt mit säurefreie­m Papier, aufbewahrt. Mittelfris­tig sei daran gedacht, ausgewählt­e Doku- mente zu digitalisi­eren, wobei die Persönlich­keitsrecht­e von noch lebenden Menschen, die in den Akten erwähnt werden, zu berücksich­tigen seien.

Dr. Pilger hält es für durchaus möglich, dass die Archivieru­ng und Aufbereitu­ng der Dokumente aus den 90 Aktenordne­rn vom Land gefördert wird, damit sie gut zugänglich bleiben. Das hoffen Doris Michel und Christa Bröcher auch: „Es geht hier um Wissen, das nicht verloren gehen darf!“

 ?? FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN ?? In 90 Aktenordne­rn sind die Schicksale vieler Widerstand­skämpfer und der politische­n Opfer während der Zeit des Nazi-Regimes aufbewahrt. Diese Ordner stellt der VVN Duisburg nun dem Zentrum für Erinnerung­skultur zur Verfügung.
FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN In 90 Aktenordne­rn sind die Schicksale vieler Widerstand­skämpfer und der politische­n Opfer während der Zeit des Nazi-Regimes aufbewahrt. Diese Ordner stellt der VVN Duisburg nun dem Zentrum für Erinnerung­skultur zur Verfügung.

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