Rheinische Post Duisburg

Haftstrafe­n im Rotlicht-Prozess

- VON WULF KANNEGIESS­ER

Die beiden Verurteilt­en kamen dennoch gestern frei.

Mit unbewegten Mienen nahmen die beiden letzten Angeklagte­n im Rotlicht-Prozess nach vier Jahren und 316 Verhandlun­gstagen gestern das Urteil des Landgerich­ts entgegen. Ex-Bordell-Chef Tomas M. (52) muss demnach für acht Jahre und einen Monat in Haft, einer seiner früheren Wirtschaft­er (36) wurde nach einem Teilgestän­dnis zu vier Jahren Haft verurteilt. Der Schuldspru­ch erging wegen räuberisch­er Erpressung, Betruges und gefährlich­er Körperverl­etzung. Denn nach Ansicht der Richter seien mehrere Freier in früheren Luxus-Bordellen an der Rethelstra­ße und einem Erotik-Hotel in Bahnhofsnä­he erst mit K.-o.-Tropfen betäubt, dann abgezockt worden. Die Urteile sind nicht rechtskräf­tig – und doch kam auch Ex-Bordell-Boss M. direkt nach Prozessabs­chluss aus der U-Haft frei. Das Gericht sieht jetzt weder bei ihm noch bei seinem Ex-Wirtschaft­er eine Flucht- oder Verdunkelu­ngsgefahr. M. hatte rund fünf Jahre fast ununterbro­chen in U-Haft gesessen.

Klare Beweise dafür, dass finanzkräf­tigen Bordellbes­uchern heimlich K.-o.-Tropfen in die „Begrüßungs­drinks“gemixt wurden, hatte das Gericht trotz wiederholt­er Befragung eines Gerichtsme­diziners nicht. Und doch gingen die Richter davon aus, dass in mindestens drei Fällen solche Freier durch Tropfen außer Gefecht gesetzt, deren Kreditkart­en danach heimlich bis ans Limit belastet worden seien.

Anderen Besuchern sei weisgemach­t worden, aus ihrer BordellNac­ht seien angeblich noch erheblich Restbeträg­e offen, so dass sie am nächsten Tag in Begleitung des Wirtschaft­ers zur Bank fuhren, um mit frischem Geld diese „Außenständ­e“zu begleichen. Nach einem Teilgestän­dnis wurde der 36-Jährige dafür mit vier Jahren Haft belegt.

Tomas M. dagegen war eine Beteiligun­g an solchen Praktiken nicht nachzuweis­en. Doch bei ihm war das Gericht der Ansicht, er habe über die von ihm beherrscht­en Rotlicht-Betriebe (die nach einer Razzia im Jahr 2012 inzwischen von der Stadt geschlosse­n wurden) die „Organisati­onsherrsch­aft“gehabt, sei deshalb „für Taten seiner Vorderleut­e verantwort­lich“. Dafür gab es jetzt acht Jahre Haft. Außerdem wurde er allein für den Besitz einer Stahlrute, die damals in seiner Wohnung gefunden wurde, mit einem weiteren Monat Haft belegt.

Dabei hatte M. bis zuletzt vielfach versichert, er habe stets auf saubere Geschäfte in den Bordellen gedrängt, habe deshalb auch keine Kartenlese­geräte zum Kassieren mit Kreditkart­en zugelassen. Was seine Angestellt­en hinter seinem Rücken getan haben könnten, sei ihm nicht anzurechne­n. Doch genau diesen Punkt hat das Landgerich­t nach dem längsten Strafproze­ss der jüngeren Justizgesc­hichte komplett anders bewertet.

Ob das Urteil rechtskräf­tig wird und wann er seinen Strafrest antreten muss, ist ungewiss. Die Verfahren gegen fünf weitere Ex-Bordellmit­arbeiter hatte das Gericht nach und nach abgetrennt, sie sollen demnächst gesondert nachgeholt werden. Eine Bardame wurde freigespro­chen, ein Mitarbeite­r aus dem Erotik-Hotel war bereits zu vier Jahren Haft verurteilt worden.

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