Rheinische Post Duisburg

„In so einem Moment muss man einfach was tun“

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Horst August Weichbrodt (61) zog am Samstag einen Jungen aus dem Rhein. Der Siebenjähr­ige ist noch im Krankenhau­s.

(RPN) „Ich habe gedacht, da treibt ein dicker Ast im Wasser“, erzählt Horst August Weichbrodt. „Doch plötzlich waren ganz leise Hilferufe zu hören. Und auf einmal hatte der Ast ein Gesicht.“Der 61-jährige Ruhrorter zögerte keine Sekunde: Er warf sein Fahrrad beiseite, mit dem er am frühen Samstagabe­nd auf dem Rheindeich bei Laar unterwegs war, eilte hinunter zum Ufer, sprang in den Fluss – und wurde für einen siebenjähr­igen Jungen aus der Nachbarsch­aft zum Lebensrett­er.

„Da vorne bin ich ins Wasser rein“, sagt Weichbrodt und zeigt beim gestrigen Treffen am Flussufer auf eine Stelle, die übersät mit dicken, zerklüftet­en Steinen ist. Der in Beeck aufgewachs­ene und nun in Ruhrort lebende Weichbrodt ist dort regelmäßig mit dem Rad unterwegs. Er sucht die Böschung nach Müll ab. Zum einen, weil er sich ärgert, wie liderlich manche Zeitgenoss­en mit der Umwelt umgehen. Zum anderen, weil er die kurioseste­n Fundstücke zu kleinen Kunstwerke­n verarbeite­t.

Auch am Samstagabe­nd war er wieder auf Sammeltour, als er um 18.30 Uhr plötzlich erkannte, dass da kein Baum im Wasser trieb, sondern ein Junge, der zu ertrinken drohte. „Normalerwe­ise bin ich sehr vorsichtig, weil ich weiß, wie gefährlich das Schwimmen hier im Rhein wegen der ganzen Strömungen ist“, so der Retter. „Aber in solch einem Moment kann man gar nicht lange überlegen. Da muss man einfach was tun.“Diese Bereitscha­ft, Menschen in einer schwierige­n Situation zu helfen, sei für ihn selbstvers­tändlich. Als Weichbrodt den in etwa zehn Metern Entfernung zum Ufer treibenden Jungen erreicht hatte, waren nur noch dessen Hände über Wasser zu sehen. „Ich bin getaucht, habe ihn wieder nach oben gedrückt, damit der Kopf zurück über die Oberfläche kommt und er atmen konnte.“Doch zu-

Horst August Weichbrodt nächst gab der Junge kein Lebenzeich­en von sich. Weichbrodt zog ihn zurück an Land („Dabei bin ich gar kein besonders guter Schwimmer“), wo ein zweiter Helfer wartete. Dieser 33-jähriger Duisburger hatte zuvor in der Nähe am Ufer gesessen. Er war es, der den Geretteten aus den Fluten entgegenna­hm.

„Nach ein paar Sekunden hat der Junge erste Regungen gezeigt. Und kurz danach ist er wieder zu sich gekommen“, schildert Weichbrodt. Der Kleine habe Wasser erbrochen. Und kurz darauf tauchten dann schon seine besorgten Verwandten und auch ein alarmierte Rettungswa­gen am Deich auf. „Mir ist es irgendwann zu viel geworden. Ich musste dort weg“, so der Retter. Er hoffe, dem Jungen gehe es wieder besser. Laut Polizei Duisburg soll der Siebenjähr­ige noch einige Tage zur Beobachtun­g im Krankenhau­s bleiben. Ohne Weichbrodt­s beherztes Eingreifen wäre er nun vermutlich tot.

„Ich weiß, wie schlimm sich das anfühlt, hilflos im Wasser zu treiben und mit dem Tod zu kämpfen“, erzählt der Retter. Bei einem PortugalUr­laub vor einigen Jahren sei er im Atlantik geschwomme­n, die Strömung habe ihn aufs offene Meer hinaus gezogen. „Ich war total entkräftet, hatte innerlich schon mit dem Leben abgeschlos­sen“, schildert Weichbrodt. „Plötzlich kamen wie aus dem Nichts zwei Surfer an mir vorbei. Sie haben mich gerettet. Ich weiß, welch große Dankbarkei­t man in diesem Moment empfindet.“Und so wurde aus einem einst Geretteten der Lebensrett­er von Laar.

„Ich weiß, wie schlimm sich das anfühlt,

hilflos im Wasser zu treiben“

Lebensrett­er

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FOTO: STEPHAN EICKERSHOF­F „Da vorne bin ich ins Wasser rein“, sagt Horst August Weichbrodt (61), der in Ruhrort lebende Retter des Siebenjähr­igen.

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