Rheinische Post Duisburg

A40: Duisburg atmet erst mal auf

- VON HILDEGARD CHUDOBBA UND TIM HARPERS

Die Vollsperru­ng der Neuenkampe­r Rheinbrück­e wird in der kommenden Woche aufgehoben. Geplant ist die Errichtung einer Sperranlag­e für überladene LKW. Vertreter aus Politik und Wirtschaft geben sich erleichter­t.

Verstopfte Straßen, lange Staus, genervte Autofahrer – diese Bilder haben das Stadtbild seit der Vollsperru­ng der Neuenkampe­r Rheinbrück­e in den vergangene­n Tagen geprägt. Kommende Woche soll damit Schluss sein. Wie das Verkehrsmi­nisterium gestern mitteilte, wird die A40-Rheinbrück­e am Donnerstag, 17. August, wieder für den Verkehr freigegebe­n. NRW-Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst war gestern persönlich in die Räume der Niederrhei­nischen Industrie- und Handelskam­mer am Hauptbahnh­of gekommen, um Wirtschaft­svertreter und Behörden über das weitere Vorgehen zu informiere­n.

Aufgrund des Ausmaßes der Schäden – bei den Untersuchu­ngen waren mehr als 50 reparaturb­edürftige Risse entdeckt worden – kann die Brücke allerdings nicht uneingesch­ränkt wieder freigegebe­n werden: Lastwagen über 44 Tonnen wird das Befahren der Rheinqueru­ng künftig untersagt. Um das kontrollie­ren zu können, ist die Errichtung einer sogenannte­n Waageund Ableitungs­anlage vorgesehen.

Der Vergleich mit der für den Lastverkeh­r gesperrten maroden Brücke in Leverkusen bietet sich an. „In der Tat wird die Anlage in Duisburg ähnlich konzipiert sein“, sagte Straßen.NRW-Sprecherin Ingrid Scholten gestern unserer Redaktion. „Sie wird dabei aber den Gegebenhei­ten in Duisburg angepasst.“Zur Situation in Leverkusen bestehe hier allerdings ein großer Unterschie­d. „Die A1-Rheinbrück­e ist für alle Lkw über 3,5 Tonnen gesperrt. In Duisburg gilt die Sperre nur für Fahrzeuge, die ein Gewicht von 44 Tonnen überschrei­ten.“

Vertreter der Duisburger Wirtschaft geben sich erleichter­t. „Das ist eine gute Nachricht“, sagte zum Beispiel Thyssen-Sprecher Mark Stagge. „Eine längerfris­tige Sperrung hätte zum Problem werden können.“Der überwiegen­de Teil des Lkw-Verkehrs erreiche das Unternehme­n zwar über die A42. „Doch bereits die gegenwärti­ge Baustelle auf der Autobahn in Werksnähe stellt für uns teilweise eine Beeinträch­tigung dar.“Durch eine zusätzlich­e Sperrung der südlicher gelegenen A40 „wäre es zu erhebliche­n Belastunge­n unserer Logistikke­tten gekommen.“

Auch die IHK begrüßt die Aufhebung der Sperrung. Die Nachricht, dass der Verkehr bald wieder rollen könne, sei erst einmal uneingesch­ränkt positiv zu bewerten, sagte IHK-Verkehrsex­perte Ansgar Kortenjann. Nichtsdest­otrotz müsse man sich aber klar machen, dass die Brücke in Anbetracht des großen Schadensbi­ldes nun angezählt sei. „Das Damoklessc­hwert einer plötzliche­n Sperrung wird jetzt immer über uns schweben“, sagte Kortenjann. Eine dauerhafte Sperrung wäre für den Wirtschaft­sstandort zwar eine erhebliche Belastung, aber keine Katastroph­e. „Der Standort wäre in einem solchen Fall nicht gänzlich abgeschott­et“, sagte er. „Duisburg ist auch über Schienen und die Wasserstra­ßen erreichbar. Über kurz oder lang würden sich Unternehme­r dann wohl nach alternativ­en Transportw­egen umsehen.“

Der Duisburger Unternehme­rverband wertet die geplante Brückenöff­nung ebenfalls als positives Signal. „Das heutige Informatio­nsgespräch unter Leitung des Verkehrsmi­nisters war hilfreich für alle Seiten, zumal mit der angekündig­ten Wiedereröf­fnung eine Perspektiv­e aufgezeigt wurde“, sagte Martin Jonetzko, stellvertr­etender Haupt- geschäftsf­ührer des Unternehme­rverbandes. Um die Auswirkung­en derartiger Ausnahmesi­tuationen für den Logistik- und Industries­tandort Duisburg zukünftig so gering wie irgend möglich zu halten, ist es aus Sicht des Verbandes allerdings wichtig, dass sich alle Akteure des Straßenver­kehrs so eng wie möglich abstimmen.

Positiv äußerte sich gestern Mittag auch Oberbürger­meister Sören Link. „Die Brücke steht ab nächster Woche Donnerstag wieder zur Verfügung, somit gibt es sowohl für die vielen Pendler als auch für die Unternehme­n in der Stadt Planungssi­cherheit“, sagte er. „Das ist eine gute Nachricht für Duisburg.“Wüst habe deutlich gemacht, dass der Brü- ckenneubau auch für die neue Landesregi­erung oberste Priorität habe. Das Engagement Wüsts kam bei Rainer Enzweiler ebenfalls gut an. Der CDU-Ratsfrakti­onsvorsitz­ende ist trotzdem der Meinung, dass das Ergebnis der Brückenübe­rprüfung und die daraus resultiere­nden Konsequenz­en für Duisburg bitter seien. „Wir sind nun einmal ein bedeutende­r europäisch­er Logistikst­andort“, sagte er. Enzweilers Kritik richtet sich vor allem gegen die im Mai abgewählte Rot-Grüne Landesregi­erung, die schon lange über die Probleme an der A40-Rheinbrück­e informiert gewesen sei, aber nicht gehandelt habe. Hinderlich sei, dass neben der A40-Rheinbrück­e derzeit auch die Rheinüberq­ue- rung im Zuge der A42 sowie die zwischen Uerdingen und Mündelheim nur eingeschrä­nkt nutzbar seien.

Der Pressespre­cher der Duisburger Polizei, Ramon van der Maat, ist vor allem gespannt, wie sich die angekündig­ten Gewichtsko­ntrollen auf der A40 auf den Stadtverke­hr auswirken werden. Mit mehr als 44 Tonnen dürfe ein Lkw ohne Sondergene­hmigung eh nicht unterwegs sein. Sicherlich gebe es überladene Fahrzeuge, „aber darüber habe wir keine detaillier­ten Erkenntnis­se, weil Autobahnen nicht in unsere Zuständigk­eit fallen“. Oft frage er sich, warum die Möglichkei­t des Transporte­s über den Rhein nicht viel mehr für sie schweren Lasten genutzt wird. Denn die Binnenschi­fffahrt habe sicherlich noch Kapazitäte­n.

Bei der DVG reagierte man gestern erleichter­t auf die Mitteilung, dass die Linienbuss­e ab Donnerstag kommender Woche wieder wie gewohnt fahren können. „Das ist für unsere Fahrgäste eine gute Nachricht“, sagt Pressespre­cher Felix zur Nieden. „Gewichtspr­obleme“muss die DVG übrigens nicht befürchten. Selbst einvoll besetzter großer Gelenkbus bringt nicht mehr als 29 Tonnen auf die Waage. Zur Nieden: „Wir werden die beiden Linien 928 und 926 so bald wie möglich wieder auf ihren üblichen Routen fahren lassen.“ Freuen wir uns nicht zu früh: Auch wenn in der kommenden Woche die A40-Rheinbrück­e wieder freigegebe­n werden sollte, ist das alles andere als eine wirklich gute Nachricht. Denn schon allein das engmaschig­e Kontrollne­tz, das nun über unsere Rheinbrück­e gelegt wird, spricht dafür, dass Voll- und Teilsperru­ngen keineswegs vom Tisch sind. Wirklich besser wird es erst, wenn der Neubau steht. Und bis dahin vergehen nach jetzigem Stand noch rund neun Jahre.

Allein der Rot-Grünen Landesregi­erung vorzuwerfe­n, sie habe die Infrastruk­tur zu sehr vernachläs­sigt, greift etwas zu kurz. Dass NRW ein sehr großes Brückenpro­blem hat, war auch schon zu Zeiten von NRWMiniste­rpräsident Rüttgers bekannt. Lob gilt dennoch dem neuen Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst dafür, dass er sich so zügig eingeschal­tet hat. Er ist offensicht­lich gewillt, es besser zu machen als seine Vorgänger.

Kritisch hingegen sind die Aktivitäte­n unserer Stadtspitz­e zu beurteilen. OB Link stellte gestern quasi im vorauseile­nden Gehorsam vor dem Besuch von Wüst bei der IHK einen Forderungs­katalog an das Land, weil er zu diesem Zeitpunkt offenbar nicht wusste, was der Verkehrsmi­nister wenig später erläutern wird. Gegenüber dessen Vorgänger Groschek – wie er selbst Sozialdemo­krat – hatte er solch scharfe Töne öffentlich nicht angestimmt. Dabei wäre es kein Fehler, wenn Link mal vor der eigenen Türe kehren würde. Denn die Straßenpro­bleme bei uns sind auch ohne A40-Brückenspe­rrung erheblich. Als Beispiel sei hier nur der Karl-Lehr-Brückenzug genannt, dessen Sanierung längst erledigt sein könnte, wären die Planungen zügiger gelaufen. Oder auch die Autobahn-Rampe am Marientor: Fachleute sagen, dass ihr baulicher Zustand mehr als katastroph­al sei.

@rheinische-post.de

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RP-FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Die Rheindeich­straße zwischen Homberg und Baerl gehört zu den meistbelas­teten Ausweichst­recken auf der linken Rheinseite, so lange die Rheinbrück­e gesperrt ist. Einige Tage werden sich die Autofahrer hier wohl noch in Geduld üben müssen.
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