Rheinische Post Duisburg

Der Verschloss­ene

- VON DOROTHEE KRINGS

Georg Friedrich spielt Typen, die wenig von sich preisgeben. Wenn doch, sind das großartige Momente. Gerade etwa in „Helle Nächte“.

BERLIN Wenn Männer, die nicht viel sagen, ihre Zuneigung bekennen, ist das anrührend und beklemmend zugleich. „Ich find’s schön, dass Du mitgekomme­n bist“, sagt der hagere Typ mit dem Wiener Akzent zu seinem Sohn. Dazu hebt Georg Friedrich endlich den Blick, und das kantige Gesicht mit dem starken Augenbraue­nwulst, der Schlägerna­se, den harten Lippen wirkt weich für einen Moment. Aber natürlich macht der Sohn in Thomas Arslans neuem Film „Helle Nächte“es dem Vater nicht so leicht. Luis ist 14, lebt sonst bei seiner Mutter und lässt den Vater wissen, dass ihm an dessen späten Bekundunge­n nichts liegt. Doch da hat Georg Friedrich seine Miene längst wieder verschloss­en, ist in die Deckung zurückgeke­hrt, hat das Gesicht gehärtet gegen alles, was von den Mitmensche­n droht.

Georg Friedrich ist der Meister der scheuen Ruppigkeit. Oft spielt er diese verschloss­enen Typen, die unheimlich ruhig wirken, wenig sagen, viel zu Boden blicken, aber nervöse Hände haben. Jederzeit können sie losgehen, wie eine ungesicher­te Waffe, weil so viel Wut in ihrem Inneren lagert. Oft waren das Nebenrolle­n bei starken Regisseure­n wie Michael Haneke oder Ulrich Seidl. Doch vor zwei Jahren ging es doch noch richtig los für den Österreich­er. Da war er 48 Jahre alt.

Seine erste Hauptrolle spielte er in „Aloys“. Da gab er einen introverti­erten Privatermi­ttler, der plötzlich selbst verfolgt wird – von einer Frau. Friedrich zeigte da, dass er Verschloss­enheit spielen kann, ohne dass das zum Manierismu­s wird, zum behauptete­n Selbstekel, zum lakonische­n Standard. Bei Friedrich hat die Introverti­ertheit etwas Unfreiwill­iges. Das ist der Reiz. Er spielt Jungs, die Draufgänge­r sein wollten und nicht ahnten, dass das Folgen hat, irgendwann. Seine Verliererf­iguren sind eben keine selbstmitl­eidigen Weltenhass­er, sondern ehrlich Enttäuscht­e, aufrecht Gebro- chene, die eigentlich nett sein wollen, zutraulich, aber das Leben hat sie anderes gelehrt.

Dass Friedrich auch den aasigen Macho geben kann, mag Nicolette Krebitz gereizt haben, als sie ihn für ihr widerspens­tiges Drama „Wild“besetzte, das im vergangene­n Jahr viel Aufsehen erregte und zahlreiche Preise gewann – eine weitere große Rolle für den Österreich­er. Er spielt in diesem gewagten Film über eine junge Frau, die sich in einen Wolf verliebt, einen nöligen Firmenchef, der mit der eigenen Rolle hadert. Auch da gibt es einen Moment, in dem Friedrich aus der Deckung kommt, etwas Inneres seiner Figur preisgibt. Doch ist der Typ diesmal nicht verwegen genug, um es mit einer Frau aufzunehme­n, die alles auf eine Karte setzt, um einem wilden Tier zu gefallen.

Anfang des Jahres konnte Friedrich dann auch seine komischen Qualitäten zeigen. Der Kabarettis­t Josef Hader verpflicht­ete ihn für seine Gesellscha­ftsatire „Wilde Maus“. Auch in diesem Film spielt Friedrich wieder einen gebrochene­n Proleten, diesmal in der Version des windigen Prater-Casanovas. Er hat den Schmäh und die Visage dafür. Aber er ist auch in dieser Tragikomöd­ie nicht einfach ein mieser Loser, der sein Karussel nicht in Schwung bringt, sondern so ein Widerspens­tiger, der zu viel verloren hat, um noch laut zu träumen, aber sein eigener Herr sein will. Und sei es als Betreiber einer quietschen­den Achterbahn.

Und nun „Stille Nächte“, der neue Film von Thomas Arslan, der gerade in die Kinos gekommen ist, bei der Berlinale Premiere feierte und Friedrich den Silbernen Bären als bester Hauptdarst­eller eintrug. „Stille Nächte“ist eine Vater-SohnStudie, so langsam und wortkarg inszeniert, dass der Film manchmal zu kippen droht wie ein Fahrrad, das sich zu langsam bewegt. Doch Friedrich öffnet diese Langsamkei­t genau jene Räume, die er spielend ausfüllen kann. Er entwickelt eine Vaterfigur, die eben nicht nur einsilbig, abweisend, gefühlsäng­stlich ist. Dieser aus Österreich stammende Bauingenie­ur Michael weiß, dass er seinen Sohn verraten hat, indem er verschwand, an seinem Leben nicht teilhaben wollte. Aber nun ist er da und hat dem Jungen etwas zu bieten: wahrhaftig­e Reue und ehrliches Interesse.

Und während die beiden in ziemlich langen, schweigsam­en Szenen durch Norwegen kurven, die Landschaft schroff und abweisend am Fenster vorüberzie­ht und es auch im Auto kühl bleibt, beginnt der Zuschauer für diesen Vater zu bangen. Man wünscht ihm, dass der Sohn, (ebenfalls großartig: Tristan Göbel) nachgibt, endlich ein bisschen Zuneigung zeigt. Denn das hieße Vergebung. Aber Friedrich buhlt nicht darum, er versucht nicht, den Jungen zu manipulier­en, er setzt sich dessen stiller Wut aus. Er hat sie verdient. Sie ist sein Purgatoriu­m.

„Helle Nächte“wirkt manchmal gewollt. Die endlosen Straßen, das trübe Wetter, die stockenden Dialoge, man kennt das von der Berliner Schule, jener ästhetisch­en Richtung, zu der Regisseur Thomas Arslan gezählt wird. Dass man trotzdem nicht müde wird, diesem VaterSohn-Trip zu folgen, hat mit Georg Friedrich zu tun. Meister des Spiels ohne Worte.

 ?? FOTOS: DPA ?? Bei der Berlinale im Januar war Georg Friedrich gleich mit zwei Filmen vertreten: „Wilde Maus“und „Helle Nächte“, für den er den Silbernen Bären bekam. Vor der Presse gab er den intellektu­ellen Punk und rezitierte Gedichte.
FOTOS: DPA Bei der Berlinale im Januar war Georg Friedrich gleich mit zwei Filmen vertreten: „Wilde Maus“und „Helle Nächte“, für den er den Silbernen Bären bekam. Vor der Presse gab er den intellektu­ellen Punk und rezitierte Gedichte.

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