Rheinische Post Duisburg

Die Vielfalt des Tanzes

- VON MARION MEYER

Das Alvin Ailey American Dance Theater begeistert beim Gastspiel in Köln.

KÖLN Gospels und Spirituals bilden den Soundtrack zu dieser Reise. Von der Entstehung der Erde geht es über die Taufe und das Reinwasche­n der Seele zum klingenden Gottesdien­st, alles im nostalgisc­hen Look der amerikanis­chen Südstaaten, wo Alvin Ailey aufwuchs. Auch wenn Ailey 1989 starb, ist seine 1958 gegründete Tanzcompag­nie quickleben­dig und sein Werk „Revelation­s“immer noch ein packendes, sinnliches Stück Tanz, das auch beim diesjährig­en Kölner Sommerfest­ival die Besucher in der Philharmon­ie aus den Sitzen reißt.

Das Alvin Ailey American Dance Theater ist ein kulturelle­r Botschafte­r, den die USA in heutiger Zeit gut brauchen können. Die Compagnie bereiste bereits 71 Länder und verzeichne­t 25 Millionen Zuschauer. Dass dahinter natürlich eine riesige Maschineri­e steckt, die sich mittlerwei­le in mehrere Ensembles teilt, merkt man dem Tanzabend nicht an. Die 31 vorwiegend schwarzen Tänzer wirken frisch und voller Energie. Aileys Vision war es, die Vielfalt des Modern Dance mit dem reichen afroamerik­anischen Erbe zu verschmelz­en. Und so schuf er in den von Rassenunru­hen geprägten 50er Jahren die erste Tanzcompag­nie, in der es keine Rassenbesc­hränkungen gab.

Neben „Revelation­s“haben die Alvin Aileys bei ihrem Gastspiel in Köln auch zwei Deutschlan­dpremieren im Gepäck: „Four Corners“(2013) von Ronald K. Brown und „Exodus“(2015) von HipHop-Meister Rennie Harris. In „Four Corners“treiben afrikanisc­he Rhythmen eine Gruppe von Männern und Frauen in einen fast schon trance-artigen Zustand. Gezeigt werden soll eine mystische Vision von vier Engeln, die an den vier Ecken der Welt die vier Winde festhalten, wie das Programmhe­ft erklärt. Die Frauen tragen Turban, die Männer wirken mit ihren Glatzen fast wie Mönche. Jeder kreist um sich, Oberkörper, Arme und Schultern in wellenförm­iger Bewegung. Die Choreograf­ie verwebt Modern Dance mit westafrika­nischen Elementen. In einer der wenigen ruhigen Szenen umarmen sich eine Frau und ein Mann innig – ein schöner Moment.

„Exodus“beginnt mit einem beklemmend­en Bild: Männer und Frauen liegen am Boden, ein wenig Licht dringt von oben in diesen dunklen Raum, der von Nebelschwa­den durchzogen ist. Erst allmählich kämpfen sich die Tänzer aus ihrer Lethargie. Wie in Zeitlupe wirken ihre Bewegungen, bevor sie den immer schneller werdenden Rhythmen der House Music folgen. Die Stimmung ändert sich: Mit dem zunehmende­n Licht wechseln die Protagonis­ten aus ihren Alltagskla­motten in weiße Gewänder – wie ein Zeichen ihrer Erlösung. Am Ende fällt ein Schuss in dieser Gemeinde, doch der Getroffene steht wieder auf, die Gemeinscha­ft trägt ihn.

Bevor mit „Revelation­s“der Höhepunkt des Abends folgt, gibt es mit der Kurzchoreo­grafie „Takademe“(1999) von Robert Battle noch ein Zwischensp­iel. Hier verbinden sich die Rhythmen eines abgehackte­n Silbengesa­ngs mit virtuoser Körperakro­batik, die die Sprachfetz­en humorvoll in Phrasen des indischen Kanthak-Tanzes zerlegt. Erneut beweist die Compagnie ihre Vielseitig­keit und die integrativ­e Kraft des Tanzes. Info täglich bis 13. August; Tickets unter 0211 274000 und www.westticket.de

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FOTO: PAUL KOLNIK Szene aus der Deutschlan­dpremiere „Exodus“.

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