Start-ups sorgen mit ihrem technologiegetriebenen Blick auf Bankdienstleistungen für Innovationen. Vor allem die Kunden profitieren.
Technologieunternehmen im Finanzbereich, kurz Fintechs genannt, rütteln die Bankbranche kräftig wach. Jetzt setzen sie in ihrer Nische des Finanzsektors die Banken und Sparkassen unter Druck: Kredite gibt es heute auch bei Smava und Auxmoney, Unternehmen können Darlehen bei Creditshelf aufnehmen. Im Zahlungsverkehr sorgen BillPay, Transferwise und Kesh in ihren Nischen dafür, dass Geld stressfrei mobil und grenzüberschreitend transferiert werden kann. Robo-Berater wollen den Bankberatern und Vermögensverwaltern die Geldanlage abnehmen, im Rahmen von Social Trading bietet Wikifolio einen neuen Investment-Ansatz, FinanzCommunities wie Fidor helfen dabei, sich eine Meinung zu Finanzthemen zu bilden. Mikrodarlehen, Schwarmfinanzierung, einfacheres Spenden oder Bruchteile eines Cents bezahlen – was für Banken Spezialfälle waren und wo sie sich mit eigenen Angeboten schwer tun, sorgen Start-ups inzwischen für Optionen. Das gleiche gilt auch im Versicherungsbereich: Schutzblick und GetSave heißen dort die jungen Durchstarter.
„Der Finanzsektor gerät zunehmend durch technologiegetriebene Unternehmen in Bedrängnis, die sich digital und mit großer Dynamik in den Markt für leicht zu standardisierende Finanzprodukte und -dienste drängen, um Kunden und Marktanteile zu gewinnen“, umschreibt Thomas Dapp von Deutsche Bank Research die Entwicklung.
Tatsächlich haben Fintechs eine ganze Menge bewegt in der Finanzwelt. Das Smartphone-Konto von N26 konnte mittlerweile mehr als 300.000 Kunden in verschiedenen Ländern Europas für sich gewinnen. Und der digitale Vermögensverwalter Scalable Capital verwaltet inzwischen rund 300 Millionen Euro Kundengelder und kooperiert mit Siemens. Vaamo, Investify, Liqid und Moneymeets heißen andere Start-ups, die unter Anlegern erfolgreich um Kunden buhlen.
Doch die Banken und Sparkassen sind inzwischen aus ihrer Schockstarre aufgewacht. Die Sparkassen bringen das mobile Girokonto Yomo an den Start, bei den Volksbanken und Raiffeisenbanken heißt das vergleichbare Angebot Bankomo. Kwitt nennt sich die Sparkassen-App, mit der man sich unter Freunden ausgeliehenes Geld zurückzahlt, und auch die Genossenschaftsbanken haben ein schnelles und unkompliziertes sogenanntes Peer-to-Peer-(P2P-)PaymentSystem auf den Markt gebracht. Innerhalb kürzester Zeit hat Kwitt mehr als 300.000 Nutzer von sich überzeugt. Diese Zahlen lassen Fintechs vor Neid erblassen. Die App von Cringle, dem größten Fintech-Player in diesem Bereich, wurde bisher rund 35.000 Mal heruntergeladen. Branchenbeobachter beschreiben die Beziehungen von Fintechs und Banken so: Die Fintechs haben die unkonventionellen und vom Kunden aus gedachten Ideen und die technische Expertise zu deren schneller Umsetzung, die Banken hingegen haben die Kunden.
Die wenigsten Fintechs besitzen eine Bank- oder Versicherungslizenz, was den direkten Zugang zu den Kunden erschwert. Genau deshalb umarmen immer mehr ihre einstigen Feinde. Kooperation statt Konfrontation heißt heute die Devise, so wie es beispielsweise Cringle vormacht. Das Berliner Start-up koopereriert mit der DKB Bank ebenso wie mit dem Bankhaus August Lenz. Und Ginis Technologie der semantischen Inhalte-Erkennung wurde in die Smartphone-App der Commerzbank eingearbeitet, sodass mit ihr heute Foto-Überweisungen möglich sind.
Mit knapp 19 Millionen Nutzern allein in Deutschland hat das „älteste Fintech“der Welt, Paypal, allerdings den direkten Zugang zum Kunden. Die Ebay-Tochter ist mit ihrer Luxemburger Banklizenz in ganz Europa aktiv. Mitte Juli verkün- dete sie ihre Kooperation mit Shell – gemeinsam bieten sie das mobile Bezahlen an Tanksäulen. Das soll bis zum Jahresende in ganz Deutschland möglich sein.
Nach wie vor geben Fintechs den etablierten Banken einen Impetus – den diese auch weiterhin dringend nötig haben. Denn die nächsten Angreifer stehen bereits vor der Tür. Sie heißen Google, Apple und Facebook. Die Tech-Giganten wollen auch die Finanzgeschäfte ihrer Kunden übernehmen. Nicht weil sie selbst unbedingt zur Bank werden wollen. Ihr Ziel ist es, den Kunden in ihrem Ökosystem zu halten: Überweisungen per WhatsApp – in China ist das per WeChat bereits möglich. In den USA wird per Facebook-Messenger gezahlt. Apple Pay und die Google Wallet sind in einigen europäischen Ländern bereits gestartet. Experten erwarten, dass diese Payment-Systeme auch bald in Deutschland eingeführt werden. Dann werden die Rollen von Banken und Fintechs wieder neu definiert.