Rheinische Post Duisburg

St. Joseph: Eine Kirche mit offenen Türen

- VON MONIQUE DE CLEUR (TEXT) UND UDO MILBRET (FOTOS)

Die Kirche St. Joseph in Wedau ist eine der letzten offenen Kirchen. Künstleris­ch hat sich hier vor allem Hans Büning verewigt. Eine Entdeckung­sreise durch ein sehenswert­es Gotteshaus.

WEDAU „Es gibt hier viel, was man in dieser nüchternen Kirche gar nicht vermuten würde.“Christa Schneider kennt als Gemeindemi­tglied von Anfang an ihre Kirche mit all den großen Bedeutunge­n und den verborgene­n Kleinigkei­ten. Dann läuft sie auch schon voran, zeigt und erzählt und läuft schon wieder weiter zur nächsten Sehenwürdi­gkeit. Und in der Tat gibt es viel zu zeigen, viel zu erzählen.

Zum Beispiel von dem kleinen Gebetsort gleich am Eingang der Kirche. Maria zur immerwähre­nden Hilfe heißt er: Es ist ein Ort der Ruhe in einem Ort der Ruhe. Ein Ort, an dem Gläubige die Mutter Gottes um Hilfe ersuchen. Eine Frau hat ein kleines Keramiksch­älchen an die Wand geklebt: „Danke für all’ Deine Hilfe“, steht darauf, und: „Mir geht’s schon viel besser.“

Die St.-Joseph-Kirche ist ein Gotteshaus, das den Dialog mit den Gläubigen pflegt, mit den Lebenden wie den Toten. Ein Totenbuch – laut Christa Schneider selten in Kirchen zu finden – erinnert an die Menschen, deren Leben in der Gemeinde zu Ende gegangen ist: Jeder Tag im Jahr hat eine Seite, auf der die Hinterblie­benen die Namen ihrer Verstorben­en notieren. Handschrif­tlich. Über dem Totenbuch prangt eine Holzinschr­ift an der Wand, die in der Behinderte­nwerkstatt gefertigt wurde: „Freut Euch, dass Eure Namen im Himmel verzeichne­t sind.“

Das Totenbuch ruht auf einem Ständer, der, wie so viele Kirchenwer­ke aus Metall im Duisburger Süden, der HKM-Lehrwerkst­att ent- stammt. „Der wird im Laufe der Zeit rosten“, kündigt Schneider an. Gewollt, natürlich. Die altgriechi­schen Worte Phos und Zoe, Licht und Leben, sind aus dem Metall geschnitte­n und stellen eine Verbindung her zum Tabernakel, den dieselbe Inschrift ziert. Licht und Leben – „Das ist der ganze Glauben in Kurzform“, sagt Pastor Werner Goeke.

Der Tabernakel selbst ist ein Werk des Duisburger Goldschmie­demeisters Claus Pohl. Ansonsten hat sich hier künstleris­ch vor allem ein Wedauer verewigt: Hans Büning, selber langjährig­es Gemeindemi­tglied. Von ihm stammt der Bilderzykl­us in der Seitenkape­lle, der die sieben letzten Worte Jesu illustrier­t. Auch der dort befindlich­e Altar mit seiner Darstellun­g des brennenden Dornbuschs aus Stahl und der Gesetzesta­feln aus Messing wurde nach seinem Entwurf gefertigt. In der HKMLehrwer­kstatt.

Überhaupt, sakrale Kunst. Davon hat die Kirche St. Joseph noch mehr zu bieten. Da ist der Namenspatr­on, St. Joseph, dargestell­t als Handwerker mit der Axt. Das Ambo mit Symbolen der vier Evangelist­en, oder, wie Pastor Goeke erklärt: „Die vier Wesen, die Gott umgeben, der geheimnisv­oll und nicht darstellba­r ist.“Das Vortragskr­euz aus der ehemaligen Notkirche, fast 100 Jahre alt, verscholle­n – und wiedergefu­nden. Die drei Knäufe aus Bergkrista­ll auf dem Kupferdeck­el des Taufbecken­s, von denen jeder ein christlich­es Symbol in seinem klaren Inneren birgt: Fisch, Dreifaltig­keit, Heiliger Geist. Über allem prangt das große Kreuz: mit einem Jesus ohne Krone, ohne Dornen, der Kopf aufrecht – kein leidender Jesus.

Ein anderes Kreuz hat seinen ursprüngli­chen Ort an der Kirche verlassen müssen und gegen einen Ort in der Kirche eingetausc­ht: Der Jesus am Totenbuch „ist zweimal mutwillig zerstört worden“, ärgert sich Christa Schneider. Drinnen ist das Kreuz nun sicher geborgen. Draußen hat es einen Nachfolger bekommen. „Das Kreuz draußen ist aus Kunstfaser, das kann man nicht zerstören.“

Auf andere Weise trotzt die Kirche dem Vandalismu­s, vor dem die meisten Gotteshäus­er inzwischen längst ihre Türen verschloss­en haben: Täglich ist St. Joseph geöffnet, von 9 bis 17 oder 18 Uhr. Die offene Kirche, sie liegt Pastor Goeke am Herzen. Für ihn gibt es etwas, vor dem ihm weitaus mehr graut als vor den Spuren des Vandalismu­s: „Wenn mal eine Lampe kaputtgeht, das ist nicht so schlimm. Schlimmer ist, wenn die Leute hier beten wollen, und die Tür ist zu.“

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Pastor Werner Goeke ist der Kirche seit langem verbunden.
 ??  ?? Für Maria zur immerwähre­nden Hilfe hat eine Frau einen schriftlic­hen Dank hinterlass­en.
Für Maria zur immerwähre­nden Hilfe hat eine Frau einen schriftlic­hen Dank hinterlass­en.
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Das Vortragskr­euz ist fast 100 Jahre alt.

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