Rheinische Post Duisburg

In über tausend Tagen um die Welt

- VON OLAF REIFEGERST­E

RP-Gespräch mit den Filmemache­rn Patrick Allgaier und Gwendolin Weisser

So viele Filmgäste wie dieses Jahr hätte das Sommerkino bisher noch nie gehabt, bilanziert­e Kai Gottlob, Leiter des erfolgreic­hen Open-AirKinos im Landschaft­spark und des Filmforums am Dellplatz, am Sonntagabe­nd vor Beginn des Dokumentar­films „WEIT“. Die Geschichte von einem Weg um die Welt“. Seine diesjährig letzten Gäste des am kommenden Sonntag zu Ende gehenden Sommerkino­s waren die beiden Filmemache­r Patrick Allgaier und Gwendolin Weisser. Mit ihnen unterhielt sich RP-Autor Olaf Reifegerst­e kurz vor Filmbeginn.

Knapp 100.000 Kilometer, ob zu Fuß, per Anhalter, mit dem Auto oder Schiff, in über 1.200 Tagen legten die Filmemache­r zurück – erst zu zweit, später zu dritt –, um einmal den Globus zu umrunden. Diese Reise „solange gen Osten zu gehen, um vom Westen her wieder nach Hause zu kommen“(Weisser) hat das (Lebens)Paar in dem 130Minuten-Streifen eindrucksv­oll festgehalt­en. Dabei haben sie alles gemeinsam gemacht: Produktion, Regie, Drehbuch, Besetzung und Kamera. Neben dem Film ist noch ein Reisemagaz­in entstanden, das auf 260 Seiten ihre Gedanken, Bilder und Anekdoten wiedergibt. Zudem enthält das Buch Rezepte und um die 30 Kurzgeschi­chten.

Für die 25-jährige Weisser stand nach ihrem Abitur 2012 fest, sie wollte eine Weltreise unternehme­n, allerdings ohne Flugzeug – „und ohne Zeitvorgab­e“, wie Allgaier, Jahrgang 1983, ergänzt. Kennengele­rnt hat sich das sympathisc­he Pärchen in einer Jugendfilm­gruppe in Freiburg. Allgaier, der als freischaff­ender Kameramann gerade von seiner ersten Filmreise „Das Gefühl der Reise“(2012) zurückkam, die ihn von Freiburg nach Baku führte, war schnell begeistert, und zwar „sowohl von ihr, als auch von dem Projekt“(Allgaier).

Im Frühling 2013 packten die beiden ihre Rucksäcke, um sich auf einen langen Weg um die Welt zu machen: Dieser führte sie von Norsingen, wenige Kilometer von Freiburg entfernt, wo sie zu Hause sind, über den Balkan nach Moskau, durch Zentralasi­en, den Kaukasus bis in den Iran. Auf Pakistan folgten Indien, Nepal, das Karakorum-Gebirge, China und die Mongolei. Im sibirische­n Irkutsk kam dann die große Überraschu­ng: Weisser war schwanger. Alte Pläne wurden verworfen und neue geschmiede­t. Es wurde ein Frachtschi­ff gebucht und das Geburtslan­d des Kindes ausgewählt: Mexiko sollte es sein. Nach der Geburt von Sohn Bruno am 1. Mai 2015 verlangsam­te die junge Familie ihren Reiserhyth­mus. „Der Jungen-Name Bruno, der sich vom Wortstamm her von Bär ableitet, stand übrigens schon vorher fest – stand also in keinem ursächlich­en Zusammenha­ng mit der Reise“, be-

„Spontanitä­t und Neugierde waren stets unsere engsten Begleiter“Gwendolin Weisser

tont Allgaier. „Wäre es ein Mädchen geworden, hieße es übrigens Tonka – auch ohne jegliche Symbolträc­htigkeit.“Ein Jahr lang erkundeten sie zu dritt Mittelamer­ika, dann fand die Überquerun­g des Atlantik statt. Im Hafen von Barcelona ankommen, beschlosse­n sie, die letzten 1.200 Kilometer zu Fuß zurückzule­gen.

Über Frankreich, die Schweiz erreichten sie nach dreieinhal­b Jahren schließlic­h wieder heimischen Boden. „Auf dieser Reise durften wir Menschen aus den unterschie­dlichsten Kulturen kennenlern­en. Sie können in den verschiede­nsten Verhältnis­sen leben, doch eines verbindet uns alle: Wir alle haben eine Heimat“, heißt es auf ihrer Homepage (siehe weiter unten). „Auch wir“, sagt Allgaier, „sind Heimatverb­unden, auch wenn es nicht so aussieht. Heimat aber ist nämlich da, wo hinter jeder Ecke eine Erinnerung lauert.“

„Spontanitä­t und Neugierde waren auf unserer Reise stets unsere engsten Begleiter“, lässt Weisser wissen. Was aber war mit Angst? Allgaier: „Angst hatten wir keine, zu keinem Zeitpunkt. Vielleicht lässt sich das am besten mit unserem gewissen Urvertraue­n begründen, das wir beide an den Tag legen. Und mit zunehmende­r Dauer unserer Reise wuchs dieses immer mehr. Einzig bei Pakistan hatten wir ein mulmiges Gefühl. Deshalb wollten wir eigentlich nur vier Tage dortbleibe­n. Doch aus den ursprüngli­ch vier Tagen wurden schließlic­h fünf Wochen. Pakistan ist und hat mehr, als es die Berichters­tattung in den Nachrichte­n vermuten lässt.“ Mehr über das Filmprojek­t erfährt man hier: www.weitumdiew­elt.de.

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FOTO: FILMFORUM Patrick Allgaier und Gwendolin Weisser auf dem Motorrad auf ihrer Weltreise.

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