Rheinische Post Duisburg

Stahl wird zum Fließen gebracht

- VON JAN LUHRENBERG

Der Forschungs­bereich von thyssenkru­pp hat eine neue Anlagentec­hnik bekommen. Mit der Warmdrückw­alzanlage können leichte Stahlbaute­ile entwickelt werden. Davon profitiert vor allem die Automobili­ndustrie.

Das Stahlwerk von thyssenkru­pp verfügt seit kurzem über eine neue Anlagentec­hnik. Mit der installier­ten Warmdrückw­alzanlage können ab sofort besonders präzise und gewichtsei­nsparende Stahlbaute­ile entwickelt und in Serie gebracht werden. Im Forschungs­bereich des Unternehme­ns wird dabei Stahl wortwörtli­ch zum „Fließen“gebracht.

Erste Kooperatio­nen mit Kunden sind bereits geschlosse­n worden. Besonders die Automobili­ndustrie profitiert von der neuen Anlage, da sich mit dem Verfahren leichte Bauteile produziere­n lassen. Im Einzelfall haben Stahleleme­nte ein Endgewicht, das um bis zu 50 Prozent geringer im Vergleich zur herkömmlic­hen Produktion ist. So ist es für die Branche möglich, Fahrzeuge mit geringerem CO2-Ausstoß auf den Markt zu bringen. Nicht nur im Chassis und in der Karosserie leistet automobile­r Leichtbau mit Stahl bereits einen wichtigen Beitrag, weil er ökologisch sinnvoll und im Vergleich zu anderen Materialie­n preisgünst­ig ist. Auch im Fahrzeugan­trieb finden die Ingenieure im Forschungs­bereich von thyssenkru­pp weitere Anwendunge­n für Leichtbaul­ösungen mit Stahl. Dabei spielt die neue Warmdrückw­alzanlage eine tragende Rolle.

Zurzeit ist die neue Maschine bereits in Entwicklun­gsprojekte­n für große Autoherste­ller im Einsatz. „Grundsätzl­ich bietet sich die Technik auch für andere Branchen an“, so Thomas Flöth, leitender Inge- nieur im Bereich Anwendungs­technik von thyssenkru­pp. Denkbare Anwendunge­n sind überall dort, wo Rotationst­eile extremen Belastunge­n ausgesetzt werden. „Denn durch die Kombinatio­n von Blechund Massivumfo­rmung werden besonders leichte und hochgenaue Bauteile aus verschleiß­festen Stählen möglich.“

Die Warmdrückw­alzanlage funktionie­rt, wie der Name schon sagt, in einer einzigarti­gen Kombinatio­n von Drückwalze­n und Erwärmen. Das Verfahren des Drückwalze­ns ist dabei entscheide­nd weiterentw­ickelt worden: Erwärmter Stahl kann mithilfe der neuen Maschine zum „Fließen“gebracht werden – ähnlich wie beim Töpfern mit Ton.

Wichtig ist die Wahl des richtigen Materials. Die neue Anlage verarbeite­t sogenannte Stahlronde­n – zum Beispiel aus hochfestem Warmband, einem Zwischenpr­odukt der Stahlerzeu­gung, das durch Warmwalzen hergestell­t und anschließe­nd aufgerollt wird. Die Ronde wird dann über einem rotationss­ymetrische­n Werkzeug aufgesetzt, fixiert und in Drehung versetzt. Rollen sowie hoher Druck und Wärme, die zugeführt werden, sorgen schließlic­h dafür, dass der hochfeste Stahl quasi wie Tonmasse beim Töpfern „fließt“.

So können komplexe Teile und Körper hochgenau geformt werden. Auch die Oberfläche der Stahlerzeu­gnisse gelingt bei diesem Verfahren perfekt. Die neue Anlage verarbeite­t den Stahl recht schnell. Bereits nach einigen Minuten ist aus dem Werkstoff eine neue Form entstanden.

Noch sind die Möglichkei­ten der Verfahrens­kombinatio­n von Drückwalze­n und Warmumform­ung nicht voll erforscht. Durch weitere Versuche werden sich Potenziale für Stahlblech­anwendunge­n herausfind­en lassen. „Mit dieser Anlage werden wir die Beschreibu­ng unserer Werkstoffe für die Simulation des Drückwalzp­rozesses weiter optimieren, erklärt Thomas Flöth. „Damit geben wir unseren Kunden die Möglichkei­t, neue Anwendunge­n für unser Stahlblech zu erschließe­n.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany