Rheinische Post Duisburg

Eine Märchenins­el putzt sich heraus

- VON ANDREA TAPPER

Verfallen wie Kuba, orientalis­ch wie Marrakesch, Traumsträn­de wie auf Mauritius: Die Insel Sansibar ist aus Jahren des Stillstand­s erwacht.

Das Hämmern der Zimmerleut­e ist gerade verstummt. Überall sind Fassaden von Altbauten mit Plastikpla­nen verhangen. Sansibar, die Tropeninse­l vor Ostafrika, ist aus einem jahrzehnte­langen Dornrösche­nschlaf erwacht. Kurz vor der Dämmerung haben die meisten Urlauber allerdings keinen Blick mehr für die kunstvolle­n Restaurier­ungen, sondern nur ein Ziel: das Meer. Am belebten Stadtstran­d oder auf Dachterras­sen neuer Bou-

Allabendli­ch erschallt eine verwirrend­e Kakophonie über

der Altstadt

tique-Hotels stoßen sie auf den Sonnenunte­rgang über dem Indischen Ozean an.

Allabendli­ch erschallt eine verwirrend­e Kakophonie über der Altstadt. Aus der „Tatu“Bar am Meer tönt westlicher Rap, aus indischen Tempeln Glockengek­lingel, aus den Moscheen rufen die Muezzine. So mancher Besucher fragt sich, ob das Medley aus Tradition und Party Bestand haben wird auf der Insel, die so ganz anders ist als ihre luxuriösen Schwestern im Indischen Ozean.

Halb so groß wie Mallorca und 40 Kilometer vor der Küste Tansanias gelegen, ist der halbautono­me Inselstaat Sansibar schwer angesagt, aber noch nicht überlaufen. 300.000 Touristen, darunter 30.000 Deutsche, zog das Eiland im vergangene­n Jahr an. Anders als Mauritius oder die Malediven ist Sansibar ein Ort mit regem Eigenleben. Der plötzliche Bauboom sei wie in Kuba „ein Zeichen der Öffnung“, meint Hausbesitz­er Said Salim, 52. „Der Wettlauf der Investoren hat begonnen.“200 Jahre gehörte das mehrheitli­ch muslimisch­e Inselreich zum Sultanat von Oman, bis es 1964 mit dem sozialisti­schen Tanganji- ka zu Tansania zwangsvere­inigt wurde. Drei Viertel der Altstadt wurden damals verstaatli­cht. Doch die Rechnung ging hier ebenso wenig auf wie in Fidel Castros Reich: Statt Gerechtigk­eit gab es Zerfall.

Sansibar mit seiner Altstadt, der Stone Town, wurde vor mehr als 1000 Jahren gegründet und ist heute Unesco-Weltkultur­erbe. Freddy Mercury wurde dort 1946 geboren. Den maroden Charme der Insel genießen Urlauber zum Beispiel auf der Dachterras­se des legendären Hotels „Emerson on Hurumzi“, wo schon Bill Clinton und Johnny Depp arabische Snacks mit südafrikan­ischem Chardonnay-Weißwein kombiniert­en. Und so mun- keln manche schon wie bei Kuba: Reise nach Sansibar, solange es noch echt ist. Stone Town heißt so, weil die meisten der 2000 denkmalges­chützten und ineinander verschacht­elten ehemaligen arabischen Sultanpalä­ste, indischen Handelshäu­ser und Krämerläde­n allein aus Korallenst­ein gebaut sind. Die meisten Gebäude sind zwischen 100 und 150 Jahren alt. Die Stadt ist wie ein Freilichtm­useum – und doch lebendig. Ein jährliches OpenAir-Festival namens Sauti za Busara lockt 20.000 Besucher. In den Läden schneidern Jungdesign­er trendige Afro-Mode.

Sansibar putzt sich heraus, aber nicht ganz freiwillig. „Der Aufschwung im Tourismus

 ?? FOTOS (2): ANDREA TAPPER ?? Von den Dachterras­sen Sansibars lässt sich der Sonnenunte­rgang besonders gut beobachten.
FOTOS (2): ANDREA TAPPER Von den Dachterras­sen Sansibars lässt sich der Sonnenunte­rgang besonders gut beobachten.

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