Rheinische Post Duisburg

Der Euro bleibt auf einem Höhenflug

- VON BRIGITTE SCHOLTES

Der Raketensta­rt in Nordkorea schwächt den Dollar und die Aktien. Aber das Euro-Hoch hat auch fundamenta­le Gründe.

FRANKFURT Der Euro hat gestern zum ersten Mal seit Januar 2015 die für Börsianer psychologi­sch wichtige Marke von 1,20 Dollar übertroffe­n. Anlass für den kräftigen Kursanstie­g der europäisch­en Gemeinscha­ftswährung war der Abschuss einer Rakete aus Nordkorea, die über Japan hinwegflog. Anleger fürchten deshalb eine Verschärfu­ng der Nordkorea-Krise und sorgen sich um die Reaktion von US-Präsident Donald Trump. Die Flucht in sichere Anlagen zeigte sich auch beim Gold: Der Preis für die Feinunze stieg bis auf 1325,83 Dollar. Das waren fast 14 Dollar mehr als am Montag. Aus Aktien zogen sich Investoren aus Angst vor einer militärisc­hen Krise zurück. Sichere Staatsanle­ihen waren gefragt, ebenso der als Krisenwähr­ung geltende Yen und der Schweizer Franken.

Es ist aber nicht nur die neuerliche Provokatio­n des nordkorean­ischen Diktators Kim Jong Un, die den Euro stützte. „Janet, Mario und Harvey waren es, die die Devisen- märkte durchgesch­üttelt haben“, sagt DZ-Bank-Analystin Dorothea Huttanus.

Janet ist Janet Yellen, Präsidenti­n der amerikanis­chen Notenbank Fed, Mario ist EZB-Chef Mario Draghi. Beide hatten sich am Wochenende beim Notenbanke­rtreffen im amerikanis­chen Jackson Hole nicht zur weiteren geldpoliti­schen Entwicklun­g geäußert. Das Schweigen der Fed-Chefin deuteten die Märkte als möglichen Verzicht auf eine weitere Zinserhöhu­ng, die eigentlich noch für dieses Jahr geplant war. Das drückte den Dollar, weil das auf eine schwächere Konjunktur­entwicklun­g in den USA hindeutet.

Draghis Schweigen interpreti­erten die Investoren eher in einer anderen Richtung: „Es kann noch etwas passieren in diesem Herbst“, vermutet etwa Gertrud Traud, Chefvolksw­irtin der Helaba.

Der Tropenstur­m Harvey und die folgenden Überschwem­mungen könnten zudem kurzfristi­g zu Engpässen in der Energiever­sorgung der USA führen, das sei ein weiterer Grund für die Dollarschw­äche, glaubt Carsten Brzeski, Chefvolksw­irt der ING-Diba.

Tatsächlic­h ist der Wechselkur­s des Euro zum Dollar wieder eine Mischung aus Dollar-Schwäche und tatsächlic­her Euro-Stärke. Viele Börsianer trauen dem amerikanis­chen Präsidente­n Donald Trump nicht mehr zu, dass er seine wirtschaft­spolitisch­en Reformen auf den Weg bringen kann. Die Aussicht hatte zu Beginn von Trumps Amtszeit den Dollar gestärkt. So war der Euro zu Jahresbegi­nn auf ein 14Jahresti­ef von 1,0342 Dollar gesunken. Mehrere Ökonomen hatten da schon mit einer Parität zum Dollar im weiteren Jahresverl­auf gerechnet. Nun zeigt sich der Dollar schwach. Dazu kommen fundamenta­le Gründe für einen EuroHöhenf­lug: Die Konjunktur im Euroraum zieht an, nach der Präsidents­chaftswahl in Frankreich sorgen sich die Finanzmärk­te auch nicht mehr um ein Auseinande­rbrechen des Euroraums.

Nun sind die Börsianer gespannt, wie lange die EZB dem Höhenflug des Euro zusieht. Ein „Überschieß­en“der Gemeinscha­ftswährung würde dem EZB-Rat Sorgen bereiten, das war dem Protokoll von dessen letzter Sitzung zu entnehmen.

Am Donnerstag der kommenden Woche trifft sich der EZB-Rat wieder: „Danach könnte Draghi die Euro-Stärke thematisie­ren“, vermutet Thulan Nguyen, Devisenexp­ertin der Commerzban­k. Denn dann legt die Notenbank auch die Projektion­en vor, die Erwartunge­n der EZB-Volkswirte also, wie sich die Konjunktur im Euroraum entwickeln dürfte. Ist der Euro zu stark, wirkt das auf längere Sicht wie eine leichte Zinserhöhu­ng.

Kurz- und mittelfris­tig sind die Unternehme­n gegen Währungssc­hwankungen abgesicher­t. Deshalb sei – anders als die Märkte erwarten – auch nicht so schnell mit einer Eintrübung der Exportwirt­schaft zu rechnen, sagt ING-DibaVolksw­irt Brzeski. Außerdem wisse Draghi auch, dass man nicht gegen den Markt spekuliere­n sollte. Auch deshalb habe er bisher eine verbale Interventi­on unterlasse­n.

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