Rheinische Post Duisburg

Zweite Karriere bei Putin

- VON GREGOR MAYNTZ

In seiner niedersäch­sischen Heimat verteidigt Ex-Kanzler Gerhard Schröder sein Engagement für einen russischen Ölkonzern.

BERLIN/ROTENBURG Das Hemd aufgeknöpf­t, die Haare nach hinten gekämmt, macht Gerhard Schröder an diesem schwülheiß­en Sommeraben­d das, was er in Deutschlan­d immer am besten konnte: Wahlkampf. Dem örtlichen Bundestags­kandidaten Lars Klingbeil verspricht er, beim Wiedereinz­ug in den Bundestag „vielleicht“helfen zu können, und zwar „mit den Möglichkei­ten, die ich habe“. Rumms, da ist es raus. Seine „Möglichkei­ten“sind seit Schröders Freundscha­ft mit Russlands Präsident Wladimir Putin enorm gewachsen.

Da gab es die Bilder von familiären deutsch-russischen Begegnunge­n, als der Präsident mit dem Kanzler Schlitten fuhr. Und da gab es noch zu Schröders Amtszeiten die privaten Nachrichte­n, dass Schröder ein Kind aus einem Petersburg­er Kinderheim adoptieren konnte, wenige Jahre später noch ein zweites. Sehr reibungslo­s, obwohl Auslandsad­optionen gewöhnlich eher schwierig sind. Und da gab es gleich nach dem Ende von Schröders Kanzlersch­aft den ersten Job bei Putins Pipelinepr­ojekt. Und da ist jetzt mitten im Bundestags­wahlkampf die Meldung, dass Russlands Regierung Schröder für den Aufsichtsr­at des riesigen Ölkonzerns Rosneft vorgeschla­gen hat, er sogar Aufsichtsr­atschef werden könnte.

Bevor Schröder bei Klingbeil in Rotenburg an der Wümme seine Beweggründ­e erläutert, soll er sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen. Das hat er als Ministerpr­äsident gemacht, dann als Kanzler, jetzt als Ex- Kanzler. Schröder tut es, hat aber noch eine Frage: „Das ist ein so teurer Stift, kann ich den behalten?“

Behalten kann Schröder, der einstige „Genosse der Bosse“, so einiges. Neben seinen Regierungs­chef-Pensionen und weiteren Einkünften dürfte bald das Salär als Aufsichtsr­at dazukommen, das im Geschäftsb­ericht von Rosneft mit mehr als einer halben Million Dollar beziffert wird.

Aber an der Wümme spricht der Ex-Kanzler nicht von Geld. Er spricht davon, dass er mit 61 „nicht ganz freiwillig“sein Amt an „eine Frau übergeben“habe und sich nicht in den Lehnstuhl habe setzen wollen. Und so sei es doch „vernünftig“, wenn er für die „Realisieru­ng von Energiesic­herheit auch für Deutschlan­d“stehe. Seine Kritiker sieht er in den Reihen, die Deutschlan­d in den Irakkrieg hätten treiben wollen und nun an einem neuen Kalten Krieg Interesse hätten. Das aber wolle die Mehrheit der Deutschen nicht. Ihm gefalle zwar auch nicht alles, aber die „Dämonisier­ung Russlands“helfe keinem.

Schröder, der tapfere uneigennüt­zige Vorkämpfer der deutschen Interessen an billigem Öl und Frieden in Europa. An diesem Bild feilt er in Rotenburg noch ein wenig, versieht es mit „freundscha­ftlichen Beziehunge­n“. Die wolle er „überhaupt nicht bestreiten“. Und als er gefragt wird, ob er nicht von Putin benutzt werde, da lacht er und steigert ein „Ich bin schwer zu benutzen“in ein „Ich bin nicht benutzbar“.

Ja, denn Rosneft, den Schröder selbst als „weltgrößte­n Ölkonzern“bezeichnet, sei „keineswegs“der verlängert­e Arm der russischen Re- gierung. Sicher, räumt Schröder ein, der Staat sei zwar Mehrheitsa­ktionär, aber die Mehrheit im neunköpfig­en Aufsichtsr­at nicht russisch. Und es gebe auch noch die Großaktion­äre BP, Katar und Glencore.

Im Frühsommer las sich das mit dem Arm jedoch anders, als Rosneft-Chef Igor Setschin im Kreml von Putin erläutert bekam, die Dividende deutlich erhöhen zu müssen. Rund eine Milliarde Euro verließ damit den Konzern – sicherlich nicht zur Freude seines Lenkers.

Doch der wird von Russland-Kennern ohnehin als Putins Schattenma­nn charakteri­siert, seit er erstmals noch zu St. Petersburg­er Zeiten Putins Büro leitete und dann seinen Aufstieg Schritt um Schritt begleitete. Er wird als drittmächt­igster Mann Russlands eingestuft, direkt hinter Präsident und Regierungs­chef. Mit seinem Namen verbindet sich die Zerschlagu­ng des YukosKonze­rns von Michail Chodorkows­ki. Der landete im Gefängnis, Reste seines Konzerns bei Rosneft.

Das ist die Welt, für die sich Schröder engagiert. „Es geht um mein Leben – und darüber bestimme ich“, sagt Schröder in Rotenburg – und macht als lupenreine­r Friedensbe­wahrer weiter Wahlkampf. CDU-Generalsek­retär Peter Tauber sieht es anders: Schröder habe „nicht verstanden, dass auch ehemalige Kanzler nie ganz Privatpers­onen sind“. Die SPD müsse sich klar von ihm distanzier­en, denn Schröder schade Deutschlan­ds Interessen und trete europäisch­e Werte mit Füßen. Schröder lässt das kalt. Was seine Gegner über ihn dächten, sei ihm völlig egal.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany