Rheinische Post Duisburg

Kunstsamml­ung NRW will sich öffnen

- VON ANNETTE BOSETTI

Heute beginnt die Ära von Susanne Gaensheime­r in Düsseldorf. Sie baut auf drei Säulen auf: Ausstellun­g, Vermittlun­g und Digitales.

DÜSSELDORF Grau ist alle Theorie. Und alle Theorie wird bei Susanne Gaensheime­r groß geschriebe­n. Gestern gab die neue Direktorin der Kunstsamml­ung Nordrhein-Westfalen ihr Programm und umfangreic­he Pläne preis. Man darf nach ersten Einschätzu­ngen, ohne die angekündig­ten Ausstellun­gen gesehen zu haben, indes davon ausgehen, dass sich das Theoretisc­he bunt einfärben lässt. Dass mehr Lebendigke­it in die Säle des K 20 und K 21 einzieht. Dass das Angebot niedrigsch­welliger wird. Soll heißen: dass mehr Menschen an der Kunst, die das Land (und damit der Steuerzahl­er) in großem Stil möglich macht, Anteil nehmen.

Die Häuser mit den abstrakt klingenden Ziffern, K 20 und K 21, sollen wieder jenem Jahrhunder­t gerecht werden, für das sie abgekürzt stehen: Im K 20 am Grabbeplat­z ist Platz für die an Schätzen reiche Sammlung der Klassische­n Moderne, wegen der das Haus überregion­al geschätzt wird. Zum Auftakt der Wechselaus­stellungen gilt die Auf- merksamkei­t einer kubanisch-amerikanis­chen Malerin, die ein Leben lang kaum wahrgenomm­en wurde, mit 89 Jahren ihr erstes Bild verkaufte und dann ihren Durchbruch feierte. Carmen Herrera sei mit 102 Jahren noch sehr aktiv, sagt Gaensheime­r, ihr Stil ein ganz eigener mit minimalist­ischen Zügen in Farbund Formgebung.

Im K 21, dem Ständehaus mit seinen Kabinetten und der sperrigen Architektu­r, sollen künstleris­che Positionen aus der Gegenwart eine Rolle spielen. Gaensheime­r spricht von ganz aktueller Kunst, von einem sehr internatio­nalen und interdiszi­plinären Ansatz; dazu kommt – das unterschei­det sie von ihrer nach Dresden gewechselt­en Vorgängeri­n Marion Ackermann – die Betonung des Performati­ven in der Kunst. Bei performati­ver Kunst greifen vielerlei Elemente künstliche­r Äußerung ineinander, Choreograp­hie, Film, Musik, Bildhauere­i, Malerei, Projektion, Aktion. Ein Kunstwerk ist keine statische Angelegenh­eit mehr, sondern wird in einer oft aktuell aufgeführt­en Performanc­e erlebt.

Gaensheime­r, die bis zur ihrem Wechsel an den Rhein erfolgreic­h das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt leitete, bewegt sich nah am Puls aktueller internatio­naler Strömungen. Einen multidiszi­plinären Künstler hat sie für Mitte November ins K 21 eingeladen. Auch, um ihn mit Düsseldorf zu konfrontie­ren. Der Libanese Akram Zaatari bringt ein ganzes Arsenal an Mixed Media und Installati­onsteilen nach Düsseldorf; er untersucht die politisch unruhige Geschichte seines Landes; Fotografie ist ihm dabei zentrales Instrument der Dokumentat­ion. Düsseldorf als wichtiger Standort moderner Fotografie, mit seiner von den Bechers begründete­n Photoschul­e und ihren internatio­nalen Stars, stellt sich dieser Auseinande­rsetzung. Das Spannende daran: Es wird zweierlei Geschichts­schreibung von Zeit stattfinde­n.

Gaensheime­r verfolgt einen hohen pädagogisc­hen Ansatz. Vermittlun­g ist eines ihrer Zauberwört­er, ein Anliegen, das sie umtreibt. Macht sie ernst mit ihren Plänen zur Öffnung des Hauses und Einbeziehu­ng von Menschen, die bisher eher nicht die Kunstsamml­ung besuchten, wird sie das museale Umfeld und seine gelernten Regeln grundlegen­d verändern müssen. Nicht nur gedanklich muss sie Türen öffnen, die Schwellena­ngst nehmen, die Kunstbezei­chnungen – den für viele Menschen unverständ­lichen „Kunstsprec­h“– verschlank­en und herunterbr­echen.

Folgt man Gaensheime­rs Ausführung­en, dann sind elitäre Museen von gestern. Ob die in der Landeshaup­tstadt ansässige Kunstsamml­ung sich als elitär versteht oder nicht, das muss sie erst noch herausfind­en. In Frankfurt, das hört man heraus, hatte sie die Öffnung des MMK weit vorangetri­eben. Susanne Gaensheime­r findet auch den Wandel gut, den die Tate Modern in London vollzieht. Die Bereiche für Ausstellun­gen würden zurückgedr­ängt, um den Besuchern mehr Raum zu geben. Die dankten es mit unglaublic­hen Zahlen. Ob so ein „Tate“-Effekt auf Düsseldorf rüberschwa­ppen kann, wird man sehen.

Vermittlun­g ist eines ihrer Zauberwört­er – ein Anliegen, das sie seit

Langem umtreibt

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Ab heute offiziell im Amt: Susanne Gaensheime­r (50), Direktorin der Kunstsamml­ung NRW in Düsseldorf.

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