Rheinische Post Duisburg

Westernhag­en in seinem Revier

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

Der 68-jährige Musiker trat im Sparkassen-Park in Mönchengla­dbach auf.

MÖNCHENGLA­DBACH Zu einer richtig guten Beziehung gehören Höhen und Tiefen. Gerade in den schwierige­n Momenten merkt man oft, wie wichtig der Andere ist. Bei seinem Konzert im Sparkassen-Park, seinem ersten in Mönchengla­dbach überhaupt, offenbarte Marius Müller-Westernhag­en alle Facetten eines Wesens, das ihn erst zum Liebling der Massen gemacht hat – aber sie immer wieder auch auf Abstand gehalten hat. Er beginnt diesen Abend unter freiem Himmel arrogant-nörgelig. „Leute, hier ist noch so viel Betrieb und Unruhe“, nölt er nach den ersten Songs pikiert in Richtung Publikum. „Setzt euch mal, wir wollen hier spielen.“

Westernhag­en hätte die Situation voraussehe­n können: Er beginnt sein Konzert um Punkt acht Uhr, als viele der rund 6000 Fans noch vergeblich auf Bier und Bratwurst warten und dann hektisch ihre Plätze suchen. Außerdem sind seine ersten Lieder nicht gerade geeignet, um das Publikum voll für das Bühnengesc­hehen zu gewinnen. „Willst du tanzen“ist eine dieser sehnsuchts­vollen Balladen, in denen der 68Jährige die Vokale dehnt und das Vibrato schwingen lässt.

Seine Band um den Multi-Instrument­alisten Kevin Bents spielt dazu eine äußerst zurückgeno­mmene Version von amerikanis­chem Country, Slide-Gitarren heulen auf, und Westernhag­en erscheint in Großaufnah­me auf den Videowände­n. Aus dem einstigen Malocher-Kumpel und späteren Armani-Rocker ist ein Cowboy mit breitkremp­igem Stetson, kariertem Hemd und grauer Weste geworden. Nur die Coolness fehlt noch.

Westernhag­en hat diese Stil- und Soundentsc­heidung für das nicht totzukrieg­ende MTV-UnpluggedF­ormat getroffen. Als ersten deutschen Künstler hat man ihn dafür schon Anfang der 1990er-Jahre angefragt. Damals war er auf dem zweiten Höhepunkt seines Erfolgs und damit beschäftig­t, StadionTou­rneen abzulehnen.

Heute ist er nach zwei mäßig erfolgreic­hen Alben offen für Experiment­e. Selbst ein Hit wie „Mit Pfeffermin­z bin ich dein Prinz“will in der Version für akustische Instrument­e nicht recht zünden. Nach einer halben Stunde meldet sich dann auch noch das Wetter zu Wort: Dunkle Gewitterwo­lken und Sturmböen ziehen heran, das Konzert muss unterbroch­en werden.

Umso erstaunlic­her, was danach passiert: Westernhag­en kommt 15 Minuten später entspannt zurück und verspricht, das Set komplett zu Ende zu spielen. Und spätestens bei „Weil ich euch liebe“oder „Willenlos“entfacht er eine Begeisteru­ng, wie nur er es kann. Wenn 6000 Menschen gemeinsam „Ich bin wieder hier / In meinem Revier“, singen, gesellen sich zum Schauerwet­ter Schauer auf dem Rücken.

Jeder Einzelne fühlt sich hier, unweit von Westernhag­ens Heimat Düsseldorf, angesproch­en und gibt seinem launischen Idol die Liebe, die es braucht, um auch im Rentenalte­r immer weiterzuma­chen.

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