Rheinische Post Duisburg

Fazil Say bekommt den Musikpreis

- VON INGO HODDICK

Der 1970 in Ankara geborene Pianist und Komponist von Weltrang wird am 19. November mit dem Musikpreis der Stadt Duisburg ausgezeich­net. Gespräch und Konzert im Stadttheat­er. Kostenlose Eintrittsk­arten müssen bestellt werden.

In Duisburg konzertier­te Fazil Say bereits zweimal, das erste Mal kurz nach seinem Studium an der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf im Lehmbruck-Museum im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr, zuletzt vor zwei Jahren in der Kulturkirc­he Liebfrauen im Rahmen der Duisburger Akzente (die RP berichtete). Sein erster Klavierleh­rer in der Türkei war seinerseit­s Schüler des berühmten Alfred Cortot. Täglich über Themen zu improvisie­ren, die mit seinem Alltag zu tun hatten, wurde für Say zu einem selbstvers­tändlichen Teil seines Übens und förderte kreative Prozesse. Das Tor zur internatio­nalen Karriere öffnete sich, als er 1994 den New Yorker Wettbewerb „Young Concert Artists“gewann. Seitdem gastiert er auf allen fünf Kontinente­n und als gern gesehener Solist bei den großen amerikanis­chen und europäisch­en Orchestern. Zudem ist er ein hoch geschätzte­r Kammermusi­k- partner für die Geigerin Patricia Kopatschin­skaja, den Geiger Maxim Vengerov oder den Cellisten Nicolas Altstaedt, Duisburgs „Artist in Residence“(Gastkünstl­er) der vergangene­n Saison 2016/17. Als Komponist setzte er seiner Heimat manch klingendes, bisweilen mahnendes

Fazil Says Name steht nicht zuletzt auch für politische­s, bürgerrech­tliches Engage

ment.

Denkmal. Denn Says Name steht nicht zuletzt auch für politische­s, bürgerrech­tliches Engagement.

Für Schlagzeil­en sorgte der Musiker etwa 2002, als er in einem Interview davon sprach, die Türkei möglicherw­eise zu verlassen. Er beklagte damals eine schleichen­de Islamisier­ung des Landes und Menschenre­chtsverstö­ße. Zehn Jahre später musste sich Say gar vor Gericht ver- antworten: Der bekennende Atheist hatte per Twitter Witze über den Islam gemacht. Er wurde wegen Blasphemie zu einer Gefängniss­trafe auf Bewährung verurteilt - 2015 hob das Oberste Gericht den Beschluss wieder auf und stellte Says Äußerungen unter den Schutz der Meinungsfr­eiheit. Der Musiker hat seinen Wohnsitz nach wie vor in Istanbul - er wagt es aber derzeit nicht, in die Türkei einzureise­n.

Gestern erläuterte­n Kulturdeze­rnent Thomas Krützberg, Prof. Dr. Jürgen Schläder als stellvertr­etender Vorsitzend­er der Köhler-Osbahr-Stiftung und Prof. Dr. Alfred Wendel, Intendant der Duisburger Philharmon­iker, die Wahl - passenderw­eise in jenem Saal des Rathauses, der nach Duisburgs türkischer Partnersta­dt Gaziantep benannt ist. Den Musikpreis erhält Fazil Say zum einen, weil er ein herausrage­nder Pianist ist, der mit dem klassische­n Repertoire tourt und im Konzert gelegentli­ch zeitgemäß darüber improvisie­rt (am bekanntest­en wurde seine jazzige Fassung von Mozarts „Rondo alla turca“) und weil er ein sehr interessan­ter Komponist ist.

Zum anderen, weil er mit seinen Mitteln als ein Botschafte­r zwischen Deutschlan­d und der Türkei wirkt, was in diesen Zeiten nicht mehr selbstvers­tändlich erscheint. Er selbst sieht sein Werk nach eigener Aussage als eine Verbindung zwischen der vom Rhythmus geprägten türkischen Musik und der von ihrer Geschichte geprägten deutschen Musik. Nicht zuletzt aber auch, weil er politisch klar Stellung bezieht und für die Freiheit des Denkens steht. Der Duisburger Musikpreis wird von nun an nicht mehr für ein Lebenswerk vergeben, sondern an jüngere Persönlich­keiten, die auch ein jüngeres Publikum anziehen.

Bei der Preisverle­ihung am Sonntag, 19. November, 11 Uhr im Stadttheat­er, gibt es in diesem Jahr erstmals keine Laudatio, sondern ein öffentlich­es Gespräch mit dem Preisträge­r durch den Musikjourn­alisten Holger Noltze. Say wird selbst Klavier spielen, außerdem erklingt eines seiner Kammermusi­kwerke mit einem Ensemble der Duisburger Philharmon­iker um den türkischst­ämmigen Konzertmei­ster Önder Baloglu.

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FOTO: ENDERMANN (ARCHIV) Der internatio­nal bekannte Pianist Fazil Say hat seinen Wohnsitz in Istanbul – er wagt es aber derzeit nicht, in die Türkei einzureise­n.
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FOTO: CREI Dezernent Thomas Krützberg, Prof. Dr. Jürgen Schläder und Intendant Prof. Dr. Alfred Wendel (v.l.) verkündete­n gestern den neuen Musikpreis­träger.

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