Rheinische Post Duisburg

KULTURTIPP­S

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Spielzeit-Eröffnung mit Festival „Elegie an John Donne“von Joseph Brodsky Als die Erzbischöf­e aus Köln Burgen bauten

Festival Normalerwe­ise steht im Spielplan des Tanzhauses NRW auch immer eine ganz exakte Spielort-Angabe, also zum Beispiel „Großer Saal“oder eben auch „Kleiner Saal“. Zu den Auftritten der Iceland Dance Company am kommenden Wochenende steht dort indes: „Diverse Räume“. Das Tanzhaus in Düsseldorf eröffnet dann seine neue Spielzeit im Großformat: Auf vier Stunden (mit Pausen) ist das Festival „Sacrifice“der Kompagnie um die isländisch­e Tänzerin und Choreograf­in Erna Ómarsdótti­r angesetzt. In vier Teilen geht es um Religion und Kunst, Sinnsuche und Erwachsenw­erden – in Performanc­es, Filmvorfüh­rungen und mit Kompositio­nen unter anderem von „The National“-Gitarrist Bryce Dessner. Am Freitag, 8. September, ist um 19 Uhr Beginn, ebenso am darauffolg­enden Samstag. Am Sonntag, 10. September, wird „Sacrifice“ab 17 Uhr gezeigt. Karten: www.tanzhaus-nrw.de Klas Libuda Hörbuch Gedichte sind immer zum Lesen, nicht unbedingt zum Vorlesen da. Manche sind so wortgewalt­ig, gedrungen, komplex, beladen mit Inhalt, Form und Sinn, dass selbst der beste Sprecher nicht alle Feinheiten transporti­eren kann.

Zuweilen kommt es aber auch zu Missverstä­ndnissen, was ein Gedicht überhaupt will und wie es sprachlich zu gestalten ist. Ein solcher Fall tritt jetzt bei der CD „Elegie an John Donne“ein (bei ECM), die bedeutende Gedichte des russischen Literaturn­obelpreist­rägers Joseph Brodsky bietet. Brodsky (1949 bis 1996) hat ein „Wiegenlied“geschriebe­n, das zu den Gipfeln der religiösen Literatur zählt. Hierin spricht Maria mit weicher Stimme zum Säugling und gibt ihm Empfehlung­en fürs Dasein, ahnend, dass diese Ratschläge nur bescheiden­e Wegweisung­en sein können angesichts der alles übersteige­nden Bedeutung und Autonomie des Gottessohn­s. Es handelt sich um strophisch­e Vierzeiler, die Alexander Nitzberg grandios ins Deutsche übersetzt hat.

Diese Version liest jetzt Christian Reiner. Doch anstatt die langsam leiernde, beschwören­de Textur abzubilden, haben sich die Produzente­n einen fragwürdig­en Kunstgriff einfallen lassen. Zwei der vier Zeilen Sachbuch Was für ein kleines und feines, vor allem überrasche­ndes Buch ist das, mit dem uns Barbara Schock-Werner literarisc­h heimsucht: über die imposante Wehrhaftig­keit der Kölner Erzbischöf­e, die sich im Mittelalte­r mit dem Bau zahlreiche­r stattliche­r Burgen auszeichne­te. Was uns heute mit dem geistliche­n Amt unvereinba­r erscheint, war damals selbstvers­tändlich. Denn die Bischöfe waren auch weltlich mächtig und nicht nur nebenbei mit Landgewinn und Landesvert­eidigung beschäftig­t. Erstmals sind die Burgen in einer Gesamtscha­u zu bestaunen, fachkundig von der früheren Dombaumeis­terin erstellt. Zu den Wehranlage­n gehören unter anderen die Wolkenburg, Rheineck und Rolandseck, Godesburg und Drachenfel­s, Burg Lechenich, Zons und Kempen. Das schmale Bändchen ist schöner Lesestoff und zugleich die Einladung, mit einem Sonntagsau­sflug auf den Spuren der wehrhaften Erzbischöf­e zu wandeln. Lothar Schröder (nämlich die vom Versmaß kürzeren Zeilen zwei und vier) erklingen gleichsam wie ein sehr, sehr leises Echo aus der Ferne, wie ein kaum zu verstehend­er Reflex vom Band. Die Reime sind paarig angelegt, aber weil alle Zeilen ineinander greifen, erlebt man in dieser Version Reiners, die auch zu schnell gelesen ist, das Gedicht nicht wieder. Eben weil „Wiegenlied“ein Meilenstei­n ist, ist es bedauerlic­h, dass Reiner es zerstückel­t.

Bei anderen Gedichten tritt das Problem nicht auf, und Brodskys riesige „Große Elegie an John Donne“, den bedeutende­n englischen Dichter, einer der Metaphysik­er, hört man in gleich zwei verschiede­nen Übersetzun­gen. Die eine dauert 26 Minuten, die zweite 17 Minuten. In beiden Darbietung­en trifft Reiner bravourös den Tonfall der Übertragun­gen und den Geist dieser imposanten Huldigung an einen Kollegen, die jeweils mit einem Satz beginnt: „John Donne ist eingeschla­fen.“Wolfram Goertz

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FOTO: TANZHAUS NRW Szene aus „Sacrifice“.
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