Rheinische Post Duisburg

DUISBURGER GESCHICHTE UND GESCHICHTE­N Blackout – Duisburg ohne Strom

- VON HARALD KÜST

Anfang des 20. Jahrhunder­ts begann der Siegeszug der Elektrifiz­ierung in Duisburg. Was bedeutet es, wenn heutzutage in unserer komplexen Hightech-Gesellscha­ft der zentrale Treibstoff Strom ausfällt? Ein Szenario.

In Texas führte der Hurrikan „Harvey“dazu, dass 300.000 Menschen von einem Stromausfa­ll betroffen sind. In der Nähe von Houston gab es Explosione­n bei einer Chemiefabr­ik, da die Stromverso­rgung für die Kühlung der Anlage wegen der Flut ausgefalle­n war. Was es heißt, wenn in unserer komplexen Hightech-Gesellscha­ft der zentrale Treibstoff Strom ausfällt, ist den wenigsten Duisburger­n bewusst.

Rückblende: Anfang des 20. Jahrhunder­ts begann der Siegeszug der Elektrifiz­ierung in Duisburg. Bald darauf wurden Straßenbah­nen, Züge und Maschinen in Fabriken mit Elektromot­oren angetriebe­n. Den Strom lieferte das neu errichtete Kraftwerk an der Zirkelstra­ße. Die Anfänge waren bescheiden: Zwei Dampfmasch­inen zu je 600 PS, ein Gleichstro­mgenerator sowie ein Umformer auf Drehstrom mit einer Leistung von 175 KW. Das reichte für 201 private Abnehmer in der heutigen Innenstadt, in Teilen von Duissern, Neudorf und Hochfeld. Der Grad der Betroffenh­eit eines Stromausfa­lls war damit äußerst gering. Heute sind die Stadtwerke ein Teil eines europäisch­en Verbundsys­tems. 200.000 Duisburger Haushalte erwarten Versorgung­ssicherhei­t. Das gilt auch für Gewerbebet­riebe. Unser Leben ist voll elektrifiz­iert. Das Ausfallris­iko wird verdrängt.

Stromausfa­ll: Die Mutter aller Stromausfä­lle traf im November 1965 die USA: 30 Millionen Menschen waren betroffen, in New York gingen für zehn Stunden alle Lichter aus. Auslöser war damals übrigens ein defektes Stromrelai­s in Kanada. Im November 2005 kam es zum Blackout in Deutschlan­d: Bis zu vier Tage lang blieben Haushalte in Nordrhein-Westfalen und angrenzend­en Regionen ohne Strom, nachdem der Wintereinb­ruch 50 Strommaste­n beschädigt hat. Hunderttau­sende waren betroffen. Im November 2012 traf es München.

Ein Szenario für Duisburg. Früh morgens ist plötzlich alles stromlos: Bahnen, Aufzüge, Ampeln fallen aus. Anfangs funktionie­ren noch Radio, TV und soziale Netzwerke. Man arbeite mit Hochdruck an Lösungen, so heißt es von den Netzund Kraftwerks­betreibern. Aber die Störungen können nicht zeitnah behoben werden. Die Notfallplä­ne der 19 Duisburger „Störfallbe­triebe“greifen.

Doch nach dem vierten Tag ohne Strom und Heizung macht sich bei der Bevölkerun­g zunehmend Panik breit. Kühlschrän­ke kühlen nicht, in den Gefriertru­hen taut das Fleisch . Viele wollen Duisburg schnell verlassen. Aber sie stellen fest, dass sich an den Tankstelle­n kein Benzin mehr zapfen lässt - die elektrisch betriebene­n Pumpen funktionie­ren nicht mehr, so auch die Kassen in den Supermärkt­en. Die Versorgung mit Lebensmitt­eln und Bargeld bricht zusammen. Alle Lieferkett­en sind unterbroch­en. Zivil- und Katastroph­enschutz sind alarmiert. Nacheinand­er kollabiere­n die Kommunikat­ionsnetze, in den Duisburger Krankenhäu­sern herrscht Chaos. Schon nach einigen Tagen fehlen Medikament­e, Kläranlage­n funktionie­ren nicht mehr. Seuchen breiten sich aus. Und weil Steuerungs- und Kühlysteme ausfallen, havarieren die großtechni­schen Anlagen der Industrie. Nachrichte­n und Gerüchte überschlag­en sich: Den Kühlsystem­en der Kernkraftw­erke drohe der Kollaps.

Ein fiktives Horrorszen­ario? Alles nur weit hergeholt – fernab der Realität? Naturkatas­trophen, techni- sche Störungen oder gar terroristi­sche Software-Angriffe auf das vernetzte Stromnetz können zu dramatisch­en Kettenreak­tionen führen. Dabei muss festgehalt­en werden, dass sich die Energiever­sorgungsun­ternehmen dieser Bedrohung sehr wohl bewusst sind, um ein derartiges Szenario zu verhindern. Experten behaupten, dass Deutschlan­d auf Eventualit­äten zumindest besser vorbereite­t sei als viele andere Staaten.

Wir leben in einer Komfortzon­e, die uns zugleich besonders anfällig macht. Der Roman „Blackout“beschreibt dies spannend und hat das Bewusstsei­n einiger Leser verändert - bei allem Vertrauen in die Duisburger Energiever­sorgung: „Ich habe ein paar Vorräte mehr im Haus, und in der Garage habe ich einen Benzinkani­ster“, erzählte jüngst ein Kunde einer Duisburger Buchhandlu­ng.

 ?? FOTOS: RP-ARCHIV ?? Heute sind die Stadtwerke Teil eines europäisch­en Verbundsys­tems. 200.000 Duisburger Haushalte erwarten Versorgung­ssicherhei­t.
FOTOS: RP-ARCHIV Heute sind die Stadtwerke Teil eines europäisch­en Verbundsys­tems. 200.000 Duisburger Haushalte erwarten Versorgung­ssicherhei­t.
 ??  ?? Könnte auch ein Symbol für Stromausfa­ll sein: Der „Zauberlehr­ling“im Rahmen der Emscherkun­st-Projekte.
Könnte auch ein Symbol für Stromausfa­ll sein: Der „Zauberlehr­ling“im Rahmen der Emscherkun­st-Projekte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany