Rheinische Post Duisburg

Weg von der Katastroph­enromantik

- VON URS LAMM UND PETER KLUCKEN

Marxloh war am Mittwoch Thema in der Sendung „Stern TV“. Im Interview fordert Oberbürger­meister Sören Link Unterstütz­ung von der Bundesregi­erung. Pater Oliver Potschien wünscht Perspektiv­en für die Menschen im Stadtteil.

Marxloh produziert immer wieder Negativsch­lagzeilen. Alteingese­ssene Bewohner klagen über Kriminalit­ät, Unrat auf den Straßen und verwahrlos­te Wohnungen. Missstände, die immer wieder auch mit der Migration von Osteuropäe­rn in den Duisburger Norden in Verbindung gebracht werden. Rund 20 Prozent der Marxloher Bevölkerun­g sind Rumänen oder Bulgaren.

Die RTL-Sendung „Stern TV“hat die Zustände im Duisburger Norden zum Anlass genommen, Marxloh zum Hauptthema der Ausgabe am Mittwochab­end zu machen. Titel: „Zwischen Schrottimm­obilien und Müllbergen: So bitter ist das Leben in Duisburg-Marxloh.“Als Gesprächsp­artner haben die Verantwort­lichen Sören Link eingeladen.

Doch bevor der Duisburger Oberbürger­meister zu Wort kommt, zeigt „Stern TV“eine ausführlic­he Reportage, die ein Bild des Stadtteils zeichnet. Es werden Geschichte­n von alteingese­ssenen Marxlohern erzählt. Zum Beispiel von Edda Glomke, die vor zwei Jahren aus dem Viertel weggezogen ist. Sie habe es dort einfach nicht mehr ausgehalte­n, berichtet sie dem „Stern TV“-Reporterte­am. Nachts hätten Unbekannte an ihrer Tür geklopft. Glomke habe darauf die Polizei angerufen. Doch eine Polizistin am anderen Ende der Leitung habe ihr lediglich geraten, aus Marxloh wegzuziehe­n. Das tat Glomke dann auch.

In dem Beitrag wird auch die Situation rund um die sogenannte­n Schrottimm­obilien thematisie­rt. Es werden Bilder von verwahrlos­ten Wohngebäud­en gezeigt, die von den Vermietern zumeist an Armutsf lüchtlinge zu überhöhten Preisen vermietet werden. Die Kameras sind dabei, wenn die sogenannte „Task Force“Schrottimm­obilien räumen lässt. „Diesen kriminelle­n Vermietern legt man nur das Handwerk, indem man ihnen die Geldquelle abdreht“, sagt Ordnungsde­zernentin Daniela Lesmeister von der Task Force den Reportern.

Im Interview mit Moderator Steffen Hallaschka im Anschluss an den Beitrag betont Oberbürger­meister Sören Link, dass die kriminelle­n Mieterstru­kturen in Marxloh ein Kernproble­m des Stadtteils seien. Die Stadt nutze alle Möglichkei­ten, um gegen diese Machenscha­ften vorzugehen.

Beim Thema Integratio­n von Osteuropäe­rn in Marxloh konfrontie­rt der Moderator Duisburgs OB mit einem Zitat aus dem Jahr 2015. Damals zum Höhepunkt der Flüchtling­skrise sagte Link, dass er doppelt so viele Syrer aufnehmen würde, wenn er dafür ein paar Osteuropäe­r abgegeben dürfe. „Für die Wortwahl dieser Aussage habe ich mich entschuldi­gt, aber beim Kern der Aussage bleibe ich“, sagt Link bei „Stern TV“. Es gelte gegen die, die Regelverst­öße betreiben, konsequent vorzugehen. Gleichzeit­ig müsse man die fördern, die sich an die Regeln halten.

Verständni­s für Wähler, die aus Frust über die Situation in Marxloh ihr Kreuz bei den anstehende­n Bundestags- und Oberbürger­meisterwah­len am 24. September bei Rechtspopu­listen machen, hat Link nicht. Denn Rechtspopu­listen wür-

„Wir leben hier nun mal gemeinsam, deshalb muss auch das Zusammenle­ben gelingen“

Pater Oliver Potschien

Sozialpast­orales Zentrum Marxloh

den die Probleme nur beschreien, aber keine Lösungen bieten.

Link selbst arbeite an Lösungen, fordere aber auch Hilfe von der Bundesregi­erung. „Es kann doch nicht richtig sein, dass jemand nach Deutschlan­d kommt und über die Sozialleis­tungen, insbesonde­re über das Kindergeld, einen Lebens- standard sicherstel­len kann, den er in Rumänien oder Bulgarien nicht erreichen kann. Das ist seit Jahren nicht nur in Duisburg, sondern auch in anderen Städten ein Problem. Ich erwarte, dass die Bundesregi­erung da handelt.“

Pater Oliver Potschien, Leiter des sozialpast­oralen Zentrums Peters- hof, warnt angesichts der Bilder und Berichte, die zurzeit über Marxloh kursieren, vor einer „Katastroph­enromantik“. Wichtig sei vor allem, den Menschen in Marxloh eine Perspektiv­e zu bieten. Dabei müsse man alle ins Boot holen: die angestammt­en Marxloher und die Zuwanderer.

„Wir leben hier nun mal gemeinsam, deshalb muss auch das Zusammenle­ben gelingen“, meint der Pater, der in der Öffentlich­keit ein gesuchter Gesprächsp­artner ist. Diese Perspektiv­ensuche könne auf unterschie­dliche Weise geschehen: Durch Aktionen oder auch durch moderierte Gespräche. „Wichtig ist das Ziel, eine gute Gemeinsamk­eit zu erreichen.“Es sei eine wichtige Aufgabe für Fachleute, Wege zum Erreichen dieses Ziels zu finden. Er selber, so der Pater, möchte nicht die Rolle des Moderators übernehmen. „Ich stecke selber zu tief drin“, sagt er. Aber er würde sich gerne auf andere Weise beteiligen.

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FOTO: ACHIM POHL/BISTUM ESSEN Pater Oliver Potschien, Leiter des sozialpast­oralen Zentrums, kümmert sich in Marxloh um Zuwanderer.
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