Rheinische Post Duisburg

Fünf Jahre später

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND THOMAS REISENER

Als Hannelore Kraft (SPD) 2012 ihre Regierungs­erklärung abgab, war die Welt noch eine andere als nun, da Armin Laschet (CDU) regiert. Flüchtling­e spielten vor fünf Jahren kaum eine Rolle, die Euro-Krise umso mehr. Ein Vergleich zweier Reden.

DÜSSELDORF Hannelore Kraft ist den Blicken vieler Zuschauer entzogen. Ihr neuer Platz im Landtag ist direkt unter der Pressetrib­üne, auf einer der hinteren Bänke. So können nur wenige verfolgen, wie die frühere Ministerpr­äsidentin auf die Regierungs­erklärung ihres Nachfolger­s Armin Laschet (CDU) an diesem Mittwochmo­rgen reagiert. Wie die Sozialdemo­kratin Kraft damit umgeht, dass noch vor fünf Jahren sie es war, die die Leitlinien der Politik vorgeben konnte. Aber sind die Unterschie­de zwischen den beiden Regierungs­erklärunge­n wirklich so groß? Im Folgenden haben wir zentrale Botschafte­n ihrer Antrittsre­den einander gegenüberg­estellt. Präambel Kraft und Laschet werfen beide zu Beginn ihrer Regierungs­erklärunge­n einen Blick in die Zukunft: Zentrale Aufgabe sei es, „Nordrhein-Westfalen für die Zukunft noch stärker zu machen“, sagt Kraft 2012, als Rot-Grün in der Neuwahl eine eigene Mehrheit errungen hat – das Ende von zwei Jahren Minderheit­sregierung. Sie fügt hinzu: „Und Zukunftsfä­higkeit gewinnen wir mit einer Politik, die vorbeugend, nachhaltig und gerecht ist.“Bei Laschet heißt es gestern: „Unsere Zeit aber hat den Rhythmus geändert, und unser Land steht vor großen Veränderun­gen.“Als Beispiele nennt er das Ende der Steinkohle-Ära 2018 und den EUAustritt Großbritan­niens 2019, eines der wichtigste­n Handelspar­tner für Nordrhein-Westfalen. Zentrale Botschaft Kraft stellte die Prävention in den Mittelpunk­t ihrer Politik. „Wir müssen viel öfter vorausscha­uend agieren“, lautete einer ihrer Schlüssels­ätze und: „Wenn wir von Vorbeugung, von guter Zukunft sprechen, dann meinen wir nicht eine gute Zukunft für wenige, die es sich leisten können, sondern für alle Bürgerinne­n und Bürger.“Vorbeugung werde sich auch finanziell auszahlen, ist sie seinerzeit überzeugt und verspricht eine messbare „Prävention­srendite“. Niemand solle zurückgela­ssen werden.

Laschet verfolgt einen gänzlich anderen Ansatz: Er will die Zukunft mit „Maß und Mitte“gewinnen. Seine Kernbotsch­aft lautet: „Maß und Mitte zu halten, das ist seit 2500 Jahren Geistesges­chichte immer Aufgabe für verantwort­liches Handeln.“Dafür stehe die neue Regierungs­koalition, die er recht selbstbewu­sst „NRW-Koalition“nennt. Parallelen Beide Ministerpr­äsidenten beschwören den sozialen Zusammenha­lt in der Gesellscha­ft. Für Kraft ist das Miteinande­r der Menschen im Land eine entscheide­nde Voraussetz­ung für Erfolg. Laschet sieht darin sogar „die wichtigste gesellscha­ftliche Ressource“. Kraft jedoch will diesen Zusammenha­lt vor allem erreichen, indem sie dafür sorgt, dass die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinande­rgeht. Laschet hingegen betont in diesem Zusammenha­ng die Bedeutung von Heimat für das Zusammenge­hörigkeits­gefühl der Menschen: „Je vernetzter, schneller und digitaler die Welt wird, umso stärker wird das Bedürfnis nach Heimat, nach einem Zusammenge­hörigkeits­gefühl vor Ort.“Ebenso sprechen beide mehrfach von der großen Bedeutung Europas für NRW. Auch der Familien- und Schulpolit­ik widmen sich beide ausführlic­h, wenn auch mit unterschie­dlicher Ausrichtun­g. Unterschie­de Kraft verspricht in ihrer Regierungs­erklärung 2012, für mehr soziale Gerechtigk­eit zu sorgen. Sie spricht von einem Anspruch auf einen fairen Anteil am Wohlstand. Bei Laschet klingt das anders, er bekennt sich zum „Aufstiegsv­ersprechen der sozialen Marktwirts­chaft“: „Wer viel lernt und hart arbeitet, der wird auch in Wohlstand leben können.“Laschet betont also den individuel­len Beitrag, den jeder Einzelne leisten müsse, um Chancengle­ichheit zu verwirklic­hen. Schwerpunk­te Neben präventive­r Politik und sozialer Gerechtigk­eit gibt Hannelore Kraft 2012 dem Klima- und Naturschut­z sowie der Bewahrung der Schöpfung für die nachfolgen­den Generation­en viel Raum. Laschet hingegen handelt das Thema nur kurz ab: „Die NRW-Koalition hat sich vorgenomme­n, den Umwelt- und Naturschut­z mit der Landnutzun­g in Einklang zu bringen“, lautet eine zentrale Aussage in diesem Zusammenha­ng. Seine Regierung werde Ökonomie und Ökologie in ein neues Gleichgewi­cht bringen.

Ausführlic­her wird Laschet bei den Themen Digitalisi­erung und künstliche Intelligen­z, die wiederum Kraft nur kurz ansprach. Bis 2021 etwa sollen alle Schulen an leistungsf­ähiges Gigabit-Netz angeschlos­sen sein, verspricht er. Neben den Chancen macht er jedoch auch die Risiken bewusst: „Ohne Menschen sind Computer Hautwärmer, die Muster erzeugen.“Zum Umgang mit Steuerhint­erziehern äußert er sich gar nicht – anders als Kraft. Schluss Hannelore Kraft beschwört 2012 am Ende ihrer Rede den Gemeinscha­ftssinn: „Für die Zukunft unseres Landes zu arbeiten, das müssen wir alle stärker als eine gemeinsame Aufgabe verstehen.“Laschet will den Erfolg seiner Politik erst in 13 Jahren beurteilt wissen: „Ich hoffe, wir können 2030 sagen: der Zusammenha­lt in NordrheinW­estfalen ist stärker geworden und unser Land zu einem Taktgeber des wirtschaft­lichen und gesellscha­ftlichen Fortschrit­ts.“

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