Rheinische Post Duisburg

CD-Edition porträtier­t Maria Callas live in 20 Opern

- VON WOLFRAM GOERTZ

ROM Bühne ist anders als Studio – der Künstler sieht oder ahnt das Publikum, spürt die Aura, das eigene Lampenfieb­er, die Kreativitä­t, die Unwiederbr­inglichkei­t des Augenblick­s. Mancher Musiker fürchtet diese Reflexe allerdings mehr, als dass er sie liebt.

Für Maria Callas, die Große, waren solche Überlegung­en keine ernsthafte Kategorie ihres Künstlerda­seins. Die griechisch­e Sopranisti­n kannte keine Schonung, keine rational festgelegt­e Zurückhalt­ung. Wo sie stand und sang, gab sie immer alles. Das führte im besten Fall zu einer alle Hörer entflammen­den Unmittelba­rkeit ihres Singens, zuweilen auch zu Exhibition­ismus, allerdings nie zu Äußerlichk­eit. Bei der Callas wirkte auch der SeelenStri­ptease wie eine Notwendigk­eit.

Nun wird die Frage, ob die Callas in Live-Aufführung­en nicht doch eine Spur radikaler, authentisc­her, hingebungs­voller war, durch eine großartige CD-Edition beantworte­t. Die Schallplat­tenfirma Warner hat eine Reihe von Live-Aufnahmen der Künstlerin aus den Jahren 1949 bis 1964 einem umfangreic­hen Remas- tering unterzogen. Zwar hat die digitale Tonkunst nicht alles optimieren können, und im Kleingedru­ckten heißt es auf der Box: „Die eingeschrä­nkte Tonqualitä­t einiger Mitschnitt­e dieser Edition (besonders ,Nabucco’ ,Armida’ und ,Alceste’) erklärt sich aus den schwierige­n technische­n Umständen der Aufnahmen.“Aber der Löwenantei­l klingt trotz altersbedi­ngter Historizit­ät der Aufnahmen erstaunlic­h gut, unbeschwer­t von Schlacke.

Im Einzelnen beschert uns die Edition (im Handel knapp 100 Euro) 20 Opern und erlesenes Repertoire: etwa die grandios hitzige Aufnahme von Verdis „I Vespri Siciliani“unter Erich Kleiber aus Florenz (1951); die legendäre Berliner Karajan-Aufnahme von Donizettis „Lucia“und zwei nicht minder hinreißend­e Abende aus der Mailänder Scala: „La Sonnambula“und „Medea“unter Leonard Bernstein. Wenn wir schon bei den großen Dirigenten sind, die der Diva als Maestri Paroli bieten konnten, so begeistern noch heute „Macbeth“unter Victor de Sabata und „Parsifal“unter Vittorio Gui. Die Callas als Kundry zwischen Belcanto und Hysterie – eine beeindruck­ende Erfahrung.

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