Rheinische Post Duisburg

„Das war die absolute Abzocke!“

- VON JULIA MÜLLER

Helga Wedekind aus Rumeln ist auf eine Hotel-Annonce hereingefa­llen. Das Kurhotel entpuppte sich als Absteige. Nun will sie andere vor solchen Fallen warnen.

RUMELN Es klang so schön. Zwei Wochen im Kurhotel, Massagen, Fangopacku­ngen, Whirlpool, Tanzabend, Klavierkon­zerte, Rundumverp­flegung mit Büffet und den Ostseestra­nd nur ein paar Schritte entfernt. Als Helga Wedekind die Anzeige in der Apotheken Umschau entdeckte, entschied sie sich spontan zur Reise ins polnische Kolberg. Auch, weil Hin- und Rückreise inklusive waren und das Hotel damit warb, dass die Gäste direkt von zu Hause abgeholt werden. „Das war das Lockangebo­t“, sagt die Rumelnerin rückblicke­nd und seufzt. „Hätte ich mir doch bloß vorher mal im Internet Bewertunge­n angeschaut.“

Tatsächlic­h sind die einschlägi­gen Portale im weltweiten Netz voll mit Warnungen vor dieser Reise. Denn die Glanzzeite­n des Kurhotels sind längst passé. Das Urteil von Helga Wedekind ist eindeutig: „Das war die absolute Abzocke!“Und weil sie andere vor diesem Reinfall bewahren möchte, hat sie uns von der Reise erzählt, die am 12. August nachts um 4.20 Uhr startete. Pünktlich wurde die Reisende aus Rumeln zuhause abgeholt. Bis mittags ging’s quer durch die Lande, um andere Gäste abzuholen, bis die Gruppe dann endlich auf der Autobahn den polnischen Badeort ansteuerte. 16 Stunden dauerte die Fahrt, zum Entsetzen der Duisburger­in bewältigte der Busfahrer, der kein Wort Deutsch sprach, die ganze Tour alleine, mit lediglich kleinen Pausen. Nach der Ankunft um 20.15 Uhr im Hotel mussten die neuen Gäste nicht nur ihre Personalau­sweise abgeben, sondern auch gleich die komplette Reise bezahlen. „Das kam mir irgendwie komisch vor, aber ich habe das gemacht.“Als sie kurz darauf ihr Zimmer betrat, ahnte sie den Grund der Vorkasse. Nach dem Anblick der dreckigen Unterkunft hätte Helga Wedekind den vollen Preis nie und nimmer mehr bezahlt. „Ich dachte, mich tritt ein Pferd.“Versiffte Toilette, herunter hängende Gardinen, nirgends sauber gemacht. Ein Zimmerwech­sel wurde abgelehnt und Helga Wedekind sah keine andere Möglichkei­t, als ihre Urlaubsble­ibe notdürftig selber zu reinigen.

„Leider ging das alles dann so weiter.“Handtücher wurden nicht gewechselt, das Essen war ungenießba­r, der Kurbereich mit den Bädern war ebenfalls verdreckt. „Da war ein Ehepaar aus Leipzig, das hatte gar keine Handtücher, die haben sich Stoffservi­etten vom Tisch mitgenomme­n.“Die Rumelnerin wollte ihren Aufenthalt eher abbrechen, aber sie hatte keine Rückreisem­öglichkeit. Als sie im Hotel ankündigte, dass sie sich nach ihrer Rückkehr nach Deutschlan­d über die Abzockreis­e beschweren wird, da sprach sie ein älterer Mann an, ob er sich an die Beschwerde dranhängen könne. Er hatte seine Hand verbunden. Der gebrechlic­he Herr war nach einer Badeanwend­ung im Kurbereich in der rutschigen Wanne gestürzt. Eine Angestellt­e hatte ihm einfach das Wasser abgelassen und war verschwund­en, ohne dem Gast herauszuhe­lfen.

„Unfassbar“, wettert Helga Wedekind. „Die locken alte Menschen mit der Haustürabh­olung und dann landet man in so einem Drecksloch.“Die Apotheken Umschau, in der die Anzeige erschienen ist, hat übrigens reagiert. „Nach Beschwerde­n von Lesern nehmen wir keine Anzeigen des Hotels mehr an, seit 1.9.2017 sind keine Anzeigen des Hotel Awangardia mehr erschienen“, schreibt eine Verlagsmit­arbeiterin auf unsere Anfrage. Im Kurort selber ist der Zustand des Awangardia offenbar kein Geheimnis. „Wir wurden überall mitleidig angeschaut, als wir gesagt haben, wo wir wohnen.“Ein Taxifahrer, der Helga Wedekind zu einem Restaurant fuhr und etwas Deutsch sprach, formuliert­e es drastisch: „Hotel Awangardia? Ganz große Scheiße!“

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Nach Kolberg an der polnischen Ostseeküst­e führte die Reise von Helga Wedekind aus Rumeln. Eine Tour, die sich als großer Nepp erweisen sollte.

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