Rheinische Post Duisburg

Was Ehrenamtle­r im Spitzenspo­rt verdienen

- VON GIANNI COSTA UND STEFAN KLÜTTERMAN­N

Der Sport fußt auf dem Einsatz von Menschen, die keine Vergütung dafür erwarten. Doch auch Führungspo­sitionen in Verbänden werden als Ehrenamt deklariert – zuweilen aus Imagegründ­en, meist aber schlicht, um Kosten zu sparen.

DÜSSELDORF Unlängst hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ein Zeichen gesetzt. Vor dem Länderspie­l in Stuttgart gegen Norwegen hat der Verband in einer feierliche­n Zeremonie 100 Ehrenamtle­r aus dem ganzen Land ausgezeich­net. „Der DFB hat allen Grund, sich für ehrenamtli­ches Engagement zu bedanken. Das gehört zur Anerkennun­gskultur“, sagte Präsident Reinhard Grindel. Ehrenamt sei „tiefe Befriedigu­ng. Was gibt es Schöneres, als für andere Menschen etwas wert zu sein?“, betonte Grindel. Die Vereine seien auch in Zeiten des Internets „die wahren sozialen Netzwerke.“

Grindel ist laut Satzung des DFB auch Ehrenamtle­r. Davon kann in der Praxis indes keine Rede sein. Der 55-Jährige bekommt als Präsident des größten Fachsportv­erbands der Welt mit rund sieben Millionen Mitglieder­n eine Aufwandsen­tschädigun­g von monatlich 7200 Euro – dazu 7200 Euro als Verdiensta­usfallents­chädigung. Der Funktionär hat von 1992 bis 2002 beim ZDF gearbeitet und sich so eine Art Beamtensta­tus gesichert. Er kann jederzeit zum öffentlich-rechtliche­n Sender zurück. Als Mitglied des Uefa-Exekutivko­mitees stünden ihm im Jahr weitere 50.000 Euro zu. Auf diese Zusatzeinn­ahmen hat er verzichtet – sie werden mit dem Verdiensta­usfall verrechnet.

Vor der Wahl von Grindel, zuvor CDU-Bundestags­abgeordnet­er, gab es Überlegung­en, die Stelle des DFB-Präsidente­n in einen hauptamtli­chen Posten umzuwandel­n. Doch Grindel lehnte ab – unter anderem, weil die Landesverb­ände dem nicht mehrheitli­ch zugestimmt hätten. Man will noch immer den Anschein waren, dass der oberste Repräsenta­nt des gemeinnütz­igen Verbands einer von ihnen ist. „Ich würde aufgrund der Aufgaben und Vergütung aber auch nicht von einem Ehrenamt, sondern von einem Wahlamt sprechen“, bekundet Grindel. „Es ist schon ein Unterschie­d, ob der DFB-Präsident einen Arbeitsver­trag bekommt oder von den Delegierte­n gewählt wird und auch abgewählt werden kann.“

Die ehrenamtli­che Arbeit ist eigentlich dadurch gekennzeic­hnet, dass sie ohne den Wunsch nach fi- nanzieller Vergütung ausgeübt wird. Allerdings, sagen Sportrecht­sexperten, müssten derartige Tätigkeite­n auch nicht vollends ohne finanziell­e Kompensati­on ausgeübt werden und werden sie in der Regel auch nicht. In vielen Fällen erhalten Ehrenamtle­r etwa ihre Reisekoste­n erstattet, die sie für die Ausübung ihrer Aufgabe aufgewende­t haben, oder eine Übungsleit­erpauschal­e. Diese Zuwendunge­n sind in der Regel steuerfrei. Erhält der Ehrenamt- ler deutlich mehr, als er für das Amt aufwendet, wird es brenzlig. Steuerlich­e Privilegie­n müssten dann entfallen. Vielfach ist genau das eine Grauzone, in der viele Verbände sich sehr kreativ zeigen, wenn es darum geht, finanziell­e Auslagen für eine Spitzenkra­ft zu rechtferti­gen.

Wie viel Ehrenamt gibt es eigentlich im Spitzenspo­rt? Ein Überblick.

Tennis Boris Becker ist neuer „Head of Men’s Tennis“beim Deutschen Tennis Bund (DTB) – ehrenamtli­ch. „Er erhält für seine Tätigkeit beim DTB kein Honorar und lediglich Spesen für Dienstreis­en. Dies wurde von vornherein so verabredet und hat – anders als viele vermuten – nichts mit seiner privaten Situation zu tun“, heißt es auf Anfrage dieser Redaktion in einem Schreiben des DTB. Es war gemutmaßt worden, Becker solle so entlohnt werden, damit mögliche Gläubiger keinen Zu- griff auf die Einnahmen hätten. Auch alle anderen Mitglieder des DTB-Präsidiums bekommen keine Aufwandsen­tschädigun­gen, sondern lediglich Reisespese­n. Über die Höhe der Zahlungen will man keine Angaben machen. Leichtathl­etik Clemens Prokop hört im November als Präsident des Leichtathl­etik-Verbandes (DLV) auf. Nachfolger könnte Jürgen Kessing werden, der Oberbürger­meister von Bietigheim-Bissingen. Der finanziell­e Anreiz für den DLV-Chefposten hält sich indes in Grenzen: Es gibt 100 Euro monatlich – für Kommunikat­ionskosten wie Porto. Und: Jurist Prokop sagt, er verbrauche alle Urlaubstag­e für DLV-Termine. Turnen Präsident Alfons Hölzl arbeitet ehrenamtli­ch für den TurnerBund (DTB). Der Anwalt aus Regensburg kann laut Satzung für seine Tätigkeit „eine pauschale Aufwandsen­tschädigun­g, Sachbezüge und/oder eine angemessen­e Vergütung erhalten“. In der Satzung steht auch der Hinweis auf die Ehrenamtsp­auschale – 720 Euro pro Jahr sind steuerfrei. Boxen Thomas Pütz investiert rund 14 Tage pro Monat in die Arbeit als Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxe­r ( BDB). „Das ist, als wenn du Schützenkö­nig bist. Du hast ein tolles Amt, musst aber die Zeche selbst zahlen“, hat der Inhaber eines Sicherheit­sdienstes einmal verraten. „Ich habe eine finanziell­e Unabhängig­keit, sonst würde das nicht klappen. Vom Verband bekomme ich für meine Tätigkeit nur Auslagen. Streng genommen ist es für mich ein Zuschussge­schäft. Ich mache die Arbeit aus Leidenscha­ft.“ Olympische­r Sportbund Alfons Hörmanns Position als DOSB-Präsident ist als Ehrenamt angelegt. 250 Euro Aufwandsen­tschädigun­g stünden ihm nach eigener Aussage zu, auf die verzichtet er aber. Geld verdient der 57-Jährige als Unternehme­r. Meinung Engagieren Sie sich auch als Ehrenamtle­r? Bekommen Sie für Ihre Arbeit eine Vergütung? Unter welchen Bedingunge­n sind Sie für ihren Verein im Einsatz? Schreiben Sie uns unter dem Stichwort „Ehrenamt“bis Samstag, 16. September unter aktionen@rheinische-post.de

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FOTO: DPA Tennis: Boris Becker bekommt als Head of Men’s Tennis offiziell vom DTB nur Reisespese­n erstattet.
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FOTO: IMAGO Fußball: Reinhard Grindel bekommt als DFB-Präsident mindestens 14.400 Euro im Monat.

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