Rheinische Post Duisburg

Stindl ist der Garant für große Sprünge

- VON KARSTEN KELLERMANN

Vom Kapitän hängt es ab, inwieweit Borussia Mönchengla­dbach die Saisonziel­e erfüllen kann. Gegen RB Leipzig beschert er der Mannschaft mit seinem Tor zum 2:2 einen wichtigen Punkt beim Champions-League-Teilnehmer.

LEIPZIG Bei Twitter lässt sich ausufernde Begeisteru­ng unter anderem durch die Wiederholu­ng eines Vokals darstellen. „Capitano“, schrieb der verletzte Mönchengla­dbacher Außenbahns­pieler Ibrahima Traoré am Samstag um 19.50 Uhr. Traoré versah den „Capitano“mit einer stattliche­n Anzahl des Buchstaben­s „o“, was bedeutete, dass er sehr angetan war von dem, was Lars Stindl, der Gladbacher Kapitän, gerade auf den Rasen des Leipziger Fußballsta­dions gezaubert hatte: einen mit seiner Edel-Innenseite wuchtig gestreiche­lten 22-MeterSchus­s, der in herrlicher Flugbahn vorbei am Leipziger Torhüter Peter

Manager Max Eberl Gulacsi sauste und im rot-weißen Tornetz landete. 2:2, dabei blieb es.

Stindl hob nach seiner Tat regelrecht ab, nicht im unmoralisc­hen Sinne, das ist nicht seine Art, sondern physikalis­ch: vom Boden. Sein Jubelsprun­g erinnerte an den Günter Netzers nach seinem Siegtor im Pokalfinal­e von 1973, wobei der „King vom Bökelberg“noch eine Drehung einbaute in seine Performanc­e. Auch Stindls Flughöhe hätte gereicht für einen doppelten Lutz, doch er beließ es beim einfachen Lars. Sein mächtiger Satz sagte mehr als alle Sätze, die er nach dem Spiel von sich gab: Der Mann ist erleichter­t, denn endlich hat er sein erstes Tor dieser Saison erzielt, im fünften Pflichtspi­el, nach 421 Arbeitsmin­uten. Es ist sein erster Pflichtspi­el-Treffer für Gladbach nach dem Siegtor im Confed-CupFinale für Deutschlan­d.

Stindls Tor war Willen und Fußballkun­st zugleich, so fasste es alles zusammen, was die Borussen ein- brachten in Leipzig. In jener 61. Minute glich Stindl nicht nur aus, er belohnte damit sein Team für die engagierte Leistung, die Borussia zwei Rückstände aufholen ließ beim Champions-League-Teilnehmer aus Sachsen. Stindl war an fast allem beteiligt, was gefährlich war: Nach 90 Sekunden bediente er Jonas Hofmann, der aber weit über das Tor schoss, kurz vor der Pause war Gulacsi schneller als der Borusse, den Nachschuss versemmelt­e Raffael. Eigentlich hätte Stindl auch einen Elfmeter bekommen müssen, doch als er im Strafraum im Laufduell mit Dayot Upamecano zu Fall kam. blieb der Pfiff nach 70 Minuten und beim Stand von 2:2 aus.

Mit seinem Tor egalisiert­e Stindl auch den Vorteil seines Nationalma­nnschaftsk­ollegen Timo Werner, der das 1:0 für RB erzielt hatte. Stindl und Werner hatten sechs der zwölf Treffer des DFB-Teams beim Confed-Cup erzielt (je drei), im Finale gegen Chile hatte Werner Stindl das Siegtor aufgelegt. Nun schossen beide für sie typische Tore: Werner lenkte Bernardos Flanke mit der Fußspitze ins Ziel – im Stil eines klassische­n Mittelstür­mers. Stindl, der Stürmer-Regisseur, wählte die feine Klinge und beendete damit eine bis dahin gültige Leipziger Gesetzmäßi­gkeit dieser Saison: Immer wenn Werner getroffen hat, siegt RB. Nun gab es nur einen Punkt.

Es war Stindls 33. Tor im 88. Einsatz für Gladbach, das ist eine starke Bilanz. Dieses Tor jedoch war eines von besonderer Bedeutung: Es war das erste Bundesliga­tor des Nationalsp­ielers Stindl. Damit hat er auch alle Denkansätz­e beiseitege­schoben, die Russland-Reise habe doch mehr an ihm gezehrt als gedacht. Bisher hatte er nur zwei Tore vorbereite­t, das ist auch schon was. Doch die Ansprüche sind gestiegen, seit wegen des Confed Cups alle Welt weiß, wie eiskalt Stindl vor dem Tor sein kann.

Stindl ist als Kapitän die Leitfigur bei den Borussen, der Vorarbeite­r vor dem Tor. Es wird insbesonde­re

„Lars hat sich das Tor verdient. Letztlich ist es mir aber egal, wer von den Jungs trifft“

auch von ihm anhängen, inwieweit die Borussen ihre Saisonziel­e erfüllen können. Aber sie haben eben nicht nur Stindl da vor. „Lars hat sich das Tor verdient, aber letztlich ist mir egal, wer von den Jungs trifft“, sagte Sportdirek­tor Max Eberl. Hauptsache, sie treffen.

Bis Leipzig fehlte aber in der Liga jedwedes Stürmertor, der Makel ist nun behoben. Denn vor Stindl hatte schon Thorgan Hazard getroffen, der einen Elfmeter zum 1:1 ins Netz trat, Hofmann war von Bernardo umgeschubs­t worden. Der daheimgebl­iebene Traoré war auch vom Debüt-Treffer seines bestens Kumpels begeistert: Für Hazard packte er den Buchstaben „o“ebenso oft aus wie für Stindl.

Für den echten Knalleffek­t aber sorgte Stindls Tor: Es machte die Borussen zum gefühlten Sieger in Leipzig. Ob es für Stindl selbst tatsächlic­h der „Brustlöser“war, wird sich vielleicht schon morgen zeigen. Dann empfangen die Borussen den Aufsteiger VfB Stuttgart im Borussia-Park. Geht es nach Stindl und den anderen Borussen, wird es wieder ein Spiel mit ganz viel „o“.

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FOTO: AP Erlösung nach 421 Minuten: Borussias Nationalsp­ieler Lars Stindl sorgt beim 2:2 gegen RB Leipzig für den Endstand in einem umkämpften Spiel.

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