DUISBURGER GESCHICHTE UND GESCHICHTEN Beat und Minirock: Die Stadt in den 60ern
1962 kreierte Mary Quant den Minirock. Trends , die aus London zu uns auf den Kontinent kamen, auch hier nach Duisburg. Aus Subkultur wurde ein Mainstream. Die Werbung entdeckte die Jugend.
Minirock , Popmusik, Bravo - die Erinnerung an die 60er Jahren in Duisburg wird mit Klischees der damaligen Jugendkultur verknüpft. Die Werbung hatte die Jugend entdeckt. Hochglanzbilder junger Frauen im Minirock zierten die Schaufenster und Titelseiten von Bravo und dem Life-Style-Magazin Twen.
Der Minirock wurde zum stereotypen Jugend-Bild der 60er Jahre. Die Realität war kontrastreicher. Die unterschiedlichen Jugendszenen reichten von linken APO-Protestlern bis zu den braven Mädchen in der Tanzschule Paulerberg mit „Bienenstockfrisuren“.
Aber wie kam die Mini-Mode nach Duisburg? Dazu brauchte es eine kleine kreative Minderheit, die vorwegpreschte – bis sie vom Mainstream der Gesellschaft eingeholt und subsumiert werden. Minirock und Beat-Musik kamen aus England zu uns. London war in den 60er der Hotspot für Mode und Musik. Das zog auch einige neugierige Duisburger magisch an. Mary Quants Boutique „BAZAAR“in Londons King’s Road gehörte zu den angesagten Locations. Anfang der 60er Jahre entstanden weitere Geschäfte, die für junge Menschen modische Kleidung verkauften. In diesem innovativen Umfeld „erfand“Mary Quant den Minirock. Sie und andere junge Modedesigner hatten einen enormen Einfluss auf den Klei- dungsstil, der bald darauf nach Deutschland und nach Duisburg übergriff.
Mitte der 60er Jahre wurden die Röcke in Duisburg immer kürzer und die Diskussionen junger Mädchen mit ihren Müttern immer länger. Ein sehr kurzer Rock, der mindestens zehn Zentimeter über dem Knie der Trägerin endete, galt für die damalige Zeit als obszön und provozierend. Das sahen die jungen Frauen ganz anders. Der Mini lieferte Sinn, Identität und Spaß. Gleichzeitig war es ein Erkennungsmerkmal der Gruppenzugehörigkeit. Das anfangs als schlichter Modetrend wahrgenommene Kleidungsstück bekam eine politische Bedeutung. Man wollte mit dem „Neuen“schockieren und sich aus den gesellschaftlichen Zwängen befreien und sich abgrenzen. „Experimentalistische Hedonisten“nennen die Soziologen diese experimentierfreudige Minderheit. Wer einen Minirock oder eine LP aus London mitbrachte, konnte über angesagte Mode, Musik und Locations berichten. Nach dem Vorbild der Beatles entstand in Duisburg eine Beatband nach der anderen. Sie nannten sich „Rolling Beats“und „Twens“.
1966 gründete sich die erste Duisburger Protestsonggruppe „Les Autres“mit Peter Bursch. Zwei Jahre später entstand die „Bröselmaschine“. Kommerzielles Denken war Pionieren wie Peter Bursch eher fremd, aber die Jugendkultur gedieh in den USA und Europa und es entstanden bald neue Trends und Szenen. Dann bildete sich Ende der 60er Jahre aus den USA kommend die Hippiekultur heraus. Der Aspekt der Rebellion, der Provokation, des Anderssein wurde zum Motor von neuen Trends, die die Konsumindustrie begierig aufsaugte. Werbestrategen, wie der legendäre Charles Wilp, standen bereit, um diesen Prozess zu nutzen und zu vermarkten. Großunternehmen wie C & A, Philips, Afri-Cola und Henkel drangen bereits massiv in den noch wenig erschlossenen Markt ein.
Werbeserien und Verkaufskampagnen wurden eigens auf die Jungkäufer abgestellt . Und 1969 zog es 300.000 jugendliche Besucher zur „Teenage Fair“in die Düsseldorfer Messehallen. Darunter viele aus Duisburg. Neun Tage lang zeigen 116 Unternehmen Produkte, die auf jugendliche Konsumenten zielten. Der Ansturm der DurchschnittsTeenager, die Mini-Mode, Augenkosmetik, Flipperautomaten, Traumautos (Opel GT „Nur fliegen ist schöner“) und Plattenspieler bestaunten, war gewaltig. Die Band „The Lords“und attraktive Go-GoGirls sorgten für konsumfreudige Stimmung. Das freute die Werbebranche und die Veranstalter. Es ging schließlich um 9 Millionen junge Leute mit 20 Milliarden Deutsche Mark Kaufkraft. Und dafür veranstaltete die Industrie vor 1969 mit sichtlichem Vergnügen den größten und lautesten Hallenjahrmarkt der Nation. Mittendrin die Werbe-Ikone Charles Wilp – der mit dem AfriCola Rausch. Der Protest gegen den
Mitte der 60er Jahre wurden die Röcke in Duisburg immer kürzer und die Diskussionen junger Mädchen mit ihren Müttern immer län
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„Konsumterror“von gerade mal 30 APO-Revoluzzern (außerparlamentarische Opposition) wirkte dagegen fast wie ein zusätzlicher WerbeGag. Damals wie heute gilt: Die Vermarktung einer anfangs provokanten Jugendkultur scheint einem Muster zu folgen: Ob Punk, Rapp, House, Techno oder Manga-Mäd- chen - aus einer Subkultur wird ein Mainstream. Das gilt auch für Piercings und Tattoos. Wenn etablierte Erwachsene sie tragen, wenden sich die einstigen Rebellen mit Grauen ab. Nur der Minirock behauptet sich – mit konjunkturellen Schwankungsbreiten – seit mehr als fünf Jahrzehnten.
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