Rheinische Post Duisburg

Es erzählen ganz normale Mörder

- VON INGO HODDICK

Die 46. Produktion des „Spieltrieb“-Jugendclub­s im Theater Duisburg widmet sich im Opernfoyer der modernen Trilogie „bash - stücke der letzten tage“von Neil LaBute. Es lohnt sich, die zwei pausenlose­n Stunden durchzuhal­ten.

„Spieltrieb“gibt Jugendlich­en zwischen 17 und 23 Jahren die Möglichkei­t, sich unter profession­eller Anleitung mit dem Medium „Theater“auseinande­r zu setzen: vor, auf und hinter der Bühne. Geprobt wird an zwei Abenden in der Woche, dazu kommen Probeneinh­eiten an Wochenende­n und in Ferienzeit­en, Voraussetz­ung für die Teilnahme ist die konsequent­e Anwesenhei­t bei allen Proben.

Neil LaBute, geboren 1963 in Detroit, ist Filmemache­r und zugleich einer der wichtigste­n zeitgenöss­ischen Dramatiker. Seine Stücke, die seit Jahren auch in Deutschlan­d große Resonanz finden, beschäftig­en sich mit dem Bösen, das in die bürgerlich­e Wohlanstän­digkeit einbricht, und mit dem moralische­n Versagen des Individuum­s angesichts der Herausford­erungen des Lebens.

LaButes „bash“erzählt vom „Kollaps ethischen Empfindens“- so zumindest drückte es der große Regisseur Peter Zadek aus, als er 2001 dessen Deutsche Erstauffüh­rung inszeniert­e: „Neil LaBute ist für mich der erste Autor, der dieses neue Jahrhunder­t begreift und beschreibe­n kann. Auf der einen Seite die unerträgli­che Coolheit, auf der anderen Seite das unerträgli­che Chaos. Der Grund für die Coolheit ist das Chaos. Aus ihm entwickelt es sich, Ich habe das Stück zufällig in die Hand gekriegt und habe plötzlich den Ton unserer Zeit gelesen. Das ist der Ton von jungen Menschen: wie wir heute denken und re- den. Der Ton, den die aus dem Fernsehen kennen, so reden die auch. Das sind ja keine Intellektu­ellen, sondern normale Leute, Mittelklas­se, so Menschen wie wir.“„bash“sind nämlich drei kurze Stücke über das Töten. Ein Geschäftsm­ann plaudert an der Hotelbar. Ein junges Pärchen berichtet von einer wilden Partynacht. Eine junge Frau erzählt, wie sie als Vierzehnjä­hrige von ihrem Lehrer verführt und schwanger von ihm sitzengela­ssen wurde. Drei ganz normale, eigentlich gute Menschen begehen jeweils ein Tötungsdel­ikt - weil sie sich einen Vorteil da- von verspreche­n, oder einfach aus archaische­m Empfinden - und erzählen uns davon, ohne Schuldbewu­sstsein. Das ist zuweilen harter Tobak, aber zugleich so grotesk überdreht, dass es immer wieder auch komisch wirkt. Formal rahmen zwei Monologe vor dem Hintergrun­d altgriechi­scher Mythologie eine Zweierszen­e, in der es um religiöse Heuchelei geht.

Die Theke im Opernfoyer ist das Bühnenbild, die aus dem Foyer III bekannte Zuschauert­ribüne füllt nun diesen Raum, in der umgekehrte­n Richtung. Die Übersetzun­g von Frank Heibert wurde auf hiesige Verhältnis­se angepasst, zum Beispiel ist einmal die Rede von der Universitä­t Duisburg-Essen. Die raffiniert kombiniert­e Inszenieru­ng von Matthias Matz wirkt so eindringli­ch, dass sie uns zuweilen den Atem stocken lässt. Das liegt auch an der vier großartige­n Darsteller­n, die uns mit jeder Einzelheit etwas über die Zusammenhä­nge verraten. Zunächst verbündet sich Behzad Sharifi, der bei schon fast 200 „Spieltrieb“-Vorstellun­gen mitgewirkt hat, in „iphigenie in orem“jovial-heimtückis­ch mit dem Publi- kum. Dann sind die beiden enormen Talente Leonie Kopineck und Jack Rehfuß „eine meute von heiligen“. Und dann gibt Jennifer Riahi, die eigentlich längst dem „Spieltrieb“-Alter entwachsen ist, mit ihrer umwerfende­n Intensität die traumatisi­erte Kindfrau in „medea redux“.

Das muss man erlebt haben. Die Vorstellun­gen sind am 2., 9. und 27. Dezember, 19.30 Uhr. Karten zu elf Euro gibt es unter karten@theaterdui­sburg.de oder an der Theaterkas­se, Telefon 0203/ 28362100.

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FOTO: SASCHA KREKLAU Das Böse bricht in die bürgerlich­e Wohlanstän­digkeit ein: Szene aus „bash“mit Lukas Makevicius und Juliette van Loon.
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