Rheinische Post Duisburg

Velijas wandfüllen­de Gemälde sind ein echter Blickfang

- VON PETRA KUIPER

Nedjat Velija hat unter anderem die großflächi­gen Bilder in der Moschee an der Atroper Straße gemalt.

RHEINHAUSE­N Nedjat Velija sieht stolz aus. Kein Wunder, seine Bilder sind ein Blickfang. Wobei der Begriff Bilder leicht deplatzier­t wirkt. Vier mal vier Meter messen die Wandgemäld­e, vor denen der gebürtige Serbe posiert; ein Wasserfall, zu blau, um wahr zu sein, eigentlich fließt er bei der türkischen Stadt Manavgat - daneben die Ortaköy-Moschee im Istanbuler Viertel Besikta¸s.¸ Jetzt bringen die Motive die Caféteria der Moschee an der Atoper Straße zum Leuchten. 30 Stunden hat der Wahl-Rheinhause­r daran gemalt. In Pristina im heutigen Kosovo war der 71-Jährige ein Prominente­r. Jetzt freut er sich über jeden Auftrag. „Wir haben uns für ihn entschiede­n, weil er ein berühmter Künstler ist“, sagt der junge Mann, der uns aufgeschlo­ssen hat.

Velija winkt ab. Berühmt? Ach nein. Wobei er sich freut, wenn er Spuren hinterlass­en kann. Auch die Wände der Pizzeria Sant’ Angelo am Rheinhause­r Marktplatz hat er bemalt, etwa mit den Händen von Michelange­los „Erschaffun­g Adams“aus der Sixtinisch­en Kapelle. Dazu passen die Pläne, die ihm aktuell durch den Kopf gehen. Als nächstes würde er gern ein Kunstwerk für eine Kirche entwerfen. Die alten Meister haben es ihm angetan.

Wer Velija erlebt, erkennt ihn nicht gleich, den Schalk in seinem Nacken. Er ist Roma, lebt seit 1992 in Deutschlan­d; damals floh er mit seiner Frau und vier Kindern vor dem Jugoslawie­n-Krieg. Erst kam er nach Coesfeld, dann nach Duisburg, wo die Familie neue Wurzeln schlug. Seine Kinder sind heute erwachsen, eine Tochter und ein Sohn wohnen in der Nähe, „ein großes Glück.“Aktuell wartet Velija wieder auf die Verlängeru­ng seiner Aufenthalt­serlaubnis. Offiziell ist er immer noch nicht angekommen, auch nach 25 Jahren nicht.

In die deutsche Öffentlich­keit brachte ihn sein schwarzer Humor. Velija hielt früh mit dem Zeichensti­ft Episoden fest, die ihm, Landsleute­n und Leidensgen­ossen bei Irrwegen durch Länder und Behörden widerfuhre­n. Erste Karikature­n entstanden im Übergangsh­eim. Velija begann, das Leben der Asylbewerb­er zu skizzieren, nahm dabei Men- schen vor und hinter den Schreibtis­chen aufs Korn. 1995 gab’s eine erste Ausstellun­g in Coesfeld zu sehen, die Presse schrieb über den Asylanten mit dem hintergrün­digen Witz.

Velija zeigt alte Arbeiten. Ein paar Leute, die zwischen Schildern umherirren, „Bosnien“, „Kroatien“, „Serbien“- „Gehen Sie weiter“, schnauzt ein Uniformier­ter. Daneben eine Familie: Sie Kroatin, er Serbe, das Kind in Italien geboren. „Wohin weisen sie uns aus?“, will sie wissen. Oder das: Ein Asylant muss das Land verlassen, „und was“, fragt er ratlos, „mache ich jetzt mit meinem Mercedes?“Velija muss schmunzeln. Das ist lang her. Durch die Karikature­n wurde er bekannt. Ausstellun­gen fanden statt, in Köln, Duisburg - im Internatio­nalen Zentrum, im Bezirksamt, in Bibliothek­en. Doch dann wurde es ruhig um Ex-Jugoslawie­n und auch um den in seiner Heimat renommiert­en Künstler.

Der Weg zur Muse war von Anfang an steinig. 1946 kam Nedjat zur Welt. Schon als Kind malte und zeichnete er, für eine künstleris­che Ausbildung aber fehlte der Familie das Geld. Der junge Mann brachte sich alles selbst bei. „So bin ich geboren“, sagt er heute. Aus dem kreativen Geist wurde ein Facharbeit­er. 25 Jahre war er in einer Druckerei angestellt. Dort entwarf er erste künstleris­che Plakate.

Da war es bis zu seinen Collagen nicht mehr weit. Von ihnen existie- ren nur noch Fotos. Bei einem Einbruch kam der gesamte Fundus abhanden, das macht Velija immer noch traurig. Die Bilder sind ein krasser Gegensatz zu den Karikature­n. Sie zeigen eine heile Welt, erschaffen aus Buntpapier und Folie, was aber nur der bemerkt, der genau hinschaut. Der Künstler zeichnet und schneidet die Motive mit ruhiger Hand aus. Dann fügt er sie zusammen. Die Werke, die so entstehen, erinnern an naive jugoslawis­che Malerei, hat man mal über ihn geschriebe­n.

Der Betrachter sieht Adam und Eva verschlung­en, vereint, und eine Roma-Frau; sie hält ihr Kind mit weichen, warmen Armen. Man erblickt einen Roma-Geiger und meint, Musik zu hören, lustige Melodien sollen es sein - daneben eine Ansicht von Duisburg, der neuen Heimat. Auch als Bildhauer hat Velija gearbeitet, ein Abbild seines Vaters geschaffen. Jetzt plant er wieder Skulpturen. Wie gern würde er eine Jesusfigur für eine Duisburger Kirche entwerfen. Einer wie er gibt die Hoffnung nicht auf. Mal sehen, was das Leben bringt.

„Wir haben uns für ihn entschiede­n, weil er ein berühmter Künstler ist“

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FOTO:HERBERT HÖLTGEN Der Wandkünstl­er Velija Nedjat.

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