Zwei Seiten der Medaille beim 1:6
MSV Duisburg: Was denn nun – Klatsche oder starkes Spiel? Der MSV zeigt gegen den Club ein engagiertes Spiel und darf auf ein druckvolles Spiel verweisen. Aber es bleiben Mängel, und die betreffen in erster Linie die vorderste Front.
FUSSBALL Erklärungen? „Es ist schwierig, Worte zu finden“, bekannte Innenverteidiger Gerrit Nauber nach der 1:6 (0:2)-Klatsche des Fußball-Zweitligisten MSV Duisburg gegen den 1. FC Nürnberg. Gäste-Trainer Michael Köllner sprach hinterher von einem „engen Spiel – trotz des 1:6.“Und MSV-Mittelfeldspieler Moritz Stoppelkamp sagte: „Wir waren heute eigentlich richtig stark.“Eigentlich.
MSV-Trainer Ilia Gruev verwies nach dem Spiel auf die Statistik abseits der erzielten Tore, auf die es im Fußball letztlich immer noch ankommt. Ballbesitz, Torschüsse, Eckbälle – der MSV Duisburg lag in allen Kategorien deutlich vor den Franken. Das honorierten auch die Duisburger Fans. Nach dem Spiel gab es stehende Ovationen im Fanblock, „Ich habe großen Respekt vor ihnen. Das zeigt auch, dass wir heute nicht schlecht gespielt haben“, sagte Gruev nach dem Spiel.
Lange deutete am Samstag wenig darauf hin, dass die Zebras unter die Räder geraten könnten. Der MSV machte von Beginn an Druck. Moritz Stoppelkamp und Cauly Souza setzten viele Akzente. Es mag angesichts einer 1:6-Niederlage im eigenen Stadion – nur in der Abstiegssaison 1985/86 erwischte es den MSV beim 2:7 gegen Darmstadt 98 in einem Zweitliga-Heimspiel ähnlich heftig – bizarr klingen: Die beiden Flügelspieler zeigten eine starke, phasenweise gar überragende Leistung.
Stoppelkamp suchte früh den Abschluss und verbuchte so gute Möglichkeiten. Beim Stand von 0:1 traf der Mittelfeldspieler den Außenpfosten. Das Spiel hätte einen anderen Verlauf nehmen können.
Auch Schiedsrichter Timo Gerach spielte den Meiderichern mit einigen Bewertungen nicht in die Kar- ten. Die Entscheidung, beim Zupfer von Cauly Souza an der Strafraumgrenze einen Freistoß zu geben – Eduard Löwen erzielte in der 51. Minute das richtungsweisende 0:3 – war grenzwertig. Wenngleich der MSV per Handelfmeter durch Moritz Stoppelkamp in der 82. Minute Ergebniskosmetik betreiben könnte, hätten die Zebras schon zuvor einen Handelfmeter erhalten können.
Eine couragierte, stürmische Duisburger Mannschaft, ein schwacher Schiedsrichter – das ist die eine Seite der Medaille. Drehen wir die Münze um, müssen eklatante Mängel im MSV-Spiel zur Sprache kommen. Die Abwehr war am Samstag nicht zweitligareif. Vor allem Tugrul Erat erlebte als Rechtsverteidiger einen rabenschwarzen Tag. Bei den ersten beiden Gegentreffern war Erat zu weit vom Geschehen entfernt. Später wurde es auch nicht besser.
Die Innenverteidiger Gerrit Nauber und Dustin Bomheuer, die zuletzt noch als feste Bastion galten, spielten ohne Ordnung und Übersicht. Der Nürnberger Stürmer Mikael Ishak nahm die Duisburger Geschenke dankend an. Er hatte zuvor Ladehemmung, nun gelangen ihm drei Tore in einem Spiel. „Wir müssen an uns arbeiten“, gab Gerrit Nauber zu.
„Das Spiel hätte auch 6:6 ausgehen können“, befand Ilia Gruev nachher. Das war auch leichter Galgenhumor, gemessen an den Tormöglichkeiten aber gar nicht so abwegig. Vorausgesetzt, es gibt Stürmer, die in der Lage sind, Tore zu erzielen. Dabei gilt es nicht den Stab über Borys Tashchy zu brechen, der ein enormes Arbeitspensum abspulte, Bälle eroberte und abschirmte. Doch es zieht sich durch die gesamte Saison: Für den anderen Platz im Duisburger Doppel-Angriff konnte sich noch kein Stürmer als Stammkraft empfehlen. In den ersten Spielen gelang dies Simon Brandstetter nicht. Gruev gab zu- letzt Stanislav Iljutcenko die Chance, doch dieser konnte daraus kein Kapital schlagen. Am Samstag ließ Iljutcenko freistehend vor GästeTorwart Thorsten Kirschbaum zwei Hochkaräter liegen. Vieles spricht dafür, dass nun Kingsley Onuegbu die Chance erhalten wird, zu zünden. Vermutlich morgen schon beim FC Ingolstadt, der am Samstag 4:0 beim FC St. Pauli siegte.
Mit dem 1. FC Nürnberg hat es der MSV erst in der Rückrunde wieder zu tun. Auswärts. Nach zwei Siegen in Liga und Pokal innerhalb kurzer Zeit machte Club-Trainer Michael Köllner keinen Hehl daraus, dass seinem Team die Arena des MSV liegt: „Wir können sagen, dass wir gerne nach Duisburg kommen, auch wenn die Duisburger das nicht gerne hören.“